Rund um den Globus werden zur Verabschiedung des alten Jahres und zur Begrüßung des neuen traditionell Böller und Feuerwerke gezündet. Das nächtliche Spektakel mit Lärm, Licht und Farben erfreut Menschen. Tiere hingegen – egal ob Haustiere oder solche in freier Wildbahn – verängstigt die Knallerei nachhaltig.

In unseren Breiten kommt noch dazu, dass Feuerwerkskörper allgemein erhältlich sind und zu Silvester selbst gezündet werden dürfen. Das macht es für die Tiere noch einmal deutlich schlimmer, da es sich nicht um einige wenige zentrale Feuerwerksshows handelt, sondern um flächendeckende Explosionen, die mehrere Stunden andauern können.

Nicht nur der Lärm und das Licht ängstigen die Tiere, sondern auch der bei der Knallerei entstehende Feinstaub.
Foto: APA / EPA / HARISH TYAGI

Wie Besitzerinnen und Besitzer von Haustieren wissen, kann die Kombination aus lauten Explosionen, hellen Lichtern und Qualm unter anderem Angst und Desorientierung bei Tieren auslösen. Immerhin gibt es ein paar veterinärmedizinische Tipps, wie sich das Silvester-Leiden vor allem der Hunde verringern lässt.

Untersuchungen an Wildtieren

Doch wie sind die Auswirkungen auf mehr oder weniger wild lebende Tiere? Diese Folgen ließen sich lange nur schwer untersuchen, denn es ist so gut wie unmöglich, Tiere in freier Wildbahn zu Silvester über einige Zeit zu beobachten. Neue technische Möglichkeiten wie (GPS-)Sender liefern nun aber Echtzeitdaten. Und die sind zum Teil wie erwartet, zum Teil erschreckend.

So fand ein österreichisches Team um Claudia Wascher in Kollaboration mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Uni Wien heraus, dass sich die Herzrate von frei lebenden Graugänsen beim Jahreswechsel verdoppelte. Zudem stieg ihre Körpertemperatur an, wie Wascher gemeinsam mit ihren Kollegen Walter Arnold und Kurt Kotrschal vor kurzem im Fachblatt "Conservation Physiology" berichtete.

Beide Werte deuten auf eine nicht ganz überraschende physiologische Stressantwort der Tiere in der Silvesternacht hin. Es ist aber unklar, ob die Gänse auf den Lärm oder die Lichtverschmutzung durch das Feuerwerk reagieren oder auf eine Kombination aus beidem. Und es gibt keine Hinweise darauf, dass sich ältere Gänse nach einigen überstandenen Jahreswechseln an die Feuerwerkskörper "gewöhnt" hätten.

Silvester-Gänse mit GPS-Sendern

Noch eindrücklicher sind die Ergebnisse einer rezenten Studie, die von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und des Niederländischen Instituts für Ökologie durchgeführt wurde. Die Biologinnen und Biologen haben knapp 350 wild lebende Gänse (Bläss-, Weißwangen-, Kurzschnabel- sowie Saatgänse) um die Silvesterzeit in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden mit GPS-Sendern ausgestattet, um so die Kurz- und Langzeiteffekte der Silvesterfeuerwerke zu untersuchen.

Die jeweils acht Tage umfassenden Bewegungsdaten zeigten, dass die Vögel am Silvesterabend plötzlich von ihren Schlafgewässern aufflogen und sich in Gebiete mit geringer menschlicher Populationsdichte zurückzogen. Die verschreckten Tiere verkürzten ihre Nachtruhe im Schnitt um zwei Stunden und legten in ihren nächtlichen Flügen bis zu 500 Kilometer nonstop zurück, deutlich weiter als in Nächten ohne Feuerwerk.

Aufgeschreckte Gänse legen in der Silvesternacht hunderte Kilometer zurück. Bei Graugänsen (hier im Bild) verdoppelt sich für einige Zeit die Herzfrequenz.
Foto: IMAGO/Hohlfeld

"Es ist schockierend zu sehen, wie viel weiter die Vögel in der Silvesternacht wirklich fliegen", sagt Andrea Kölzsch, Wissenschafterin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und Erstautorin der Studie im Fachblatt "Conservation Letters". Aber auch nach Silvester fanden die Tiere bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nicht zu ihrem normalen Verhalten zurück.

Feinstaub als Faktor

Zudem analysierte das Team die Feinstaubbelastung der Luft um die Schlafgewässer, die in der Silvesternacht in allen untersuchten Gebieten um bis zu 650 Prozent anstieg. "Wir konnten feststellen, dass Vögel ihre gewohnten Schlafgewässer verlassen und neue Orte wählen, die weiter entfernt von menschlichen Siedlungen liegen und eine geringere Feinstaubkonzentration aufweisen. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass die Gänse versuchen, dem Feuerwerk zu entkommen", sagt Kölzsch.

Neben dieser direkten Reaktion auf das Feuerwerk fraßen die Vögel in den zwölf Tagen nach Silvester zehn Prozent länger und bewegten sich tagsüber deutlich weniger. Damit versuchten die Tiere wahrscheinlich, die Energie zu kompensieren, die sie in der Nacht des Feuerwerks ungeplant aufwenden mussten. (Klaus Taschwer, 30.12.2023)