Bundespräsident Alexander Van der Bellen blickt seiner zweiten Amtszeit entgegen – am 26. Jänner wird er angelobt.

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In vier Wochen, am 26. Jänner, wird der wiedergewählte Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Bundesversammlungssaal des nach der Renovierung neu eröffneten Parlaments angelobt. Van der Bellen konnte die Wahl am 9. Oktober zwar gleich im ersten Durchgang für sich entscheiden – doch er musste auch einige Kritik an seiner Amtszeit einstecken. Das Versprechen nach seinem Sieg im Jahr 2016, ein "aktiver Präsident" sein zu wollen, sahen viele nämlich als nicht erfüllt.

Umso bemerkenswerter ist es, dass sich Van der Bellen seit seiner Wiederwahl am 9. Oktober mehrmals in innenpolitische Debatten und Geschehnisse einbrachte – und dabei nicht mit Kritik hinterm Berg hielt. Keine zwei Wochen nach seiner Wahl lud er anlässlich der bekannt gewordenen Zeugenaussagen von Thomas Schmid, dem Ex-Öbag-Chef, einstigen Generalsekretär im Finanzministerium und engen Vertrauter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Medien zu einem Statement in die Präsidentschaftskanzlei, wo er die Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP mit einem "Wasserschaden" verglich, "der an die Substanz unserer Demokratie geht".

Kritisiert hatte er danach auch die Unterbringung von Asylsuchenden in Zelten sowie die von ÖVP-Klubchef August Wöginger in einem STANDARD-Interview geforderte Überarbeitung der Menschenrechtskonvention und das von der ÖVP vorangetriebene Njet Österreichs zum Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien.

"Tanz auf rohen Eiern"

Dass Van der Bellen seit seiner Wiederwahl deutlich aktiver auftritt, sieht auch Politikexperte Thomas Hofer so. Dieser habe wohl erkannt, "dass es eine aktivere Rolle von ihm braucht". Hofer glaubt zwar nicht daran, dass der Präsident seine Rolle nun "komplett neu definieren" werde, aber er werde sich deutlich leichter tun, sein Versprechen, ein "aktiver Präsident" zu sein, einzulösen – da Van der Bellen nicht nochmals zur Wahl antreten kann und er deshalb "freigespielt" sei.

Der Politikexperte hat auch eine Erklärung dafür, warum Van der Bellen im Wahlkampf noch deutlich zurückhaltender agierte: "Weil er für seine Wiederwahl schlicht und ergreifend auf ÖVP-Wählergruppen angewiesen war." Van der Bellen habe "strategisch versucht, dieser Gruppe nicht das Gefühl zu geben, sich auf eine Partei einzuschießen, die ohnehin schon in den Seilen hängt". Gleichzeitig habe das Staatsoberhaupt sich aber im Rahmen seiner Eröffnungsrede bei den Bregenzer Festspielen im Juli mit einem deutlichen Appell an die Regierung gewandt, womit er versucht habe "anzudeuten, dass er durchaus kritisch gegenüber der Regierung, insbesondere der ÖVP, ist". Das "taktische Kalkül" sei für Van der Bellen "ein Tanz auf rohen Eiern" gewesen, letztlich sei die Strategie aber "aufgegangen".

Bei ÖVP-Affären zurückhaltend

In Van der Bellens Umfeld wird hingegen darauf verwiesen, dass der Präsident auch schon in seiner ersten Amtszeit äußerst aktiv war – so sei er auch nach der Ibiza-Affäre nicht nur in intensivem und regelmäßigem Austausch mit politischen Entscheidungsträgern gewesen, sondern meldete sich etwa auch in zahlreichen außertourlichen Fernsehansprachen abseits der traditionellen Reden am Nationalfeier- und Neujahrstag zu Wort.

Tatsächlich war es so, dass Van der Bellen im Zuge der Ibiza-Affäre unmissverständliche Worte in Richtung FPÖ fand – er sprach damals von einem "verstörenden Sittenbild, das unserem Land nicht gerecht wird". Das Verhalten von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnete er als "unerhörte Respektlosigkeit". Kritik an Van der Bellen wurde ohnehin erst laut, als dieser seit Publikwerden zahlreicher ÖVP-Affären plötzlich schaumgebremster agierte. So kommentierte er die Erschütterungen im Zuge der Inseratenaffäre auffällig zurückhaltend – da verwies er lediglich auf die Justiz, die den Vorwürfen nachgehen müsse. Nicht wenige Beobachter interpretierten dies als Schützenhilfe für seine ehemalige Partei, die Grünen, die sich mit der ÖVP in einer Koalition befinden.

Wo Van der Bellen Druck machen will

Aus der Hofburg heißt es, wenn Beobachter nun das Gefühl hätten, dass Van der Bellen erst seit seiner Wiederwahl aktiver auftrete, dann schlichtweg deshalb, da es in jüngster Zeit mehr Anlässe gegeben habe, "wo er sich rühren wollte". Dass dieser sich bewusst vorgenommen habe, nun aktiver zu sein, stellt man in Abrede. In einem "ZiB 2"-Interview im Rahmen des Wahlkampfs sagte Van der Bellen noch, dass er über eine aktivere Rolle nachdenken wolle. Gleichzeitig betonte er, dass ein Präsident "nicht der Überkanzler und der Chefkommentator" sei.

In der Hofburg ist man sich des Gewichts der Worte des Staatsoberhauptes bewusst: "Seine Macht ist, dass er Dinge ansprechen und aussprechen kann und dabei hohe Glaubwürdigkeit genießt." Seine zweite Amtszeit wolle Van der Bellen dafür nutzen, um beim Thema Klimakrise "Druck zu machen". Sorgen würde dem Präsidenten bereiten, dass immer mehr Menschen laut aktuellem Demokratiemonitor den demokratischen Prozess verlassen – hier wolle Van der Bellen einen Beitrag leisten, um diese Menschen wieder zu erreichen. (Sandra Schieder, 30.12.2022)