Vor zwei Jahren hofften die Österreicherinnen und Österreicher, dass die Beziehungen zwischen USA und EU unter Joe Biden besser würden als unter Donald Trump. Diese Hoffnung ist deutlich zurückgegangen

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Linz – Was war das für ein Aufatmen, als der Wechsel in der US-Präsidentschaft angestanden ist! 82 Prozent der österreichischen Bevölkerung rechneten vor zwei Jahren damit, dass die Zusammenarbeit zwischen USA und EU unter der Präsidentschaft von Joe Biden verbessern würden. Inzwischen ist Ernüchterung eingetreten: In der Jahreswechsel-Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD sagen jetzt nur mehr 46 Prozent, dass sie eine solche Verbesserung erwarten. 54 Prozent sagen ausdrücklich, dass sie nicht damit rechnen.

Weitere Kriege befürchtet

Pessimistisch ist auch der Blick auf Europa: 45 Prozent rechnen für 2023 mit weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa. Vor einem Jahr, vom russischen Einmarsch in die Ukraine war noch keine Rede, rechneten übrigens auch schon 29 Prozent mit Kriegshandlungen in Europa. Und nach wie vor glauben nur zwölf Prozent, dass die Kriege auf der Welt insgesamt weniger werden.

Der russisch-ukrainische Krieg hat auch die Erwartung schrumpfen lassen, dass USA und Russland zusammenrücken würden: Das glauben nur noch elf Prozent – beim Amtsantritt von Donald Trump vor sechs Jahren waren es 53 Prozent.

Weniger Furcht vor Terror

Folgen für Österreichs Sicherheit leiten daraus aber nur wenige Österreicherinnen und Österreicher ab: "Das Jahr 2022 hat zwar mehr Aufmerksamkeit für das Bundesheer gebracht – aber gedanklich ist eine Bedrohung des Bundesgebiets weit weg. Nur 22 Prozent machen sich große Sorgen, ob das Bundesheer Österreichs Sicherheit gewährleisen kann", sagt Market-Meinungsforscher David Pfarrhofer.

Nur ein Viertel der Bevölkerung rechnet mit einem Blackout – und ebenso viele mit einem Terroranschlag in Österreich. 2020, zwei Monate nach den islamistischen Morden in der Wiener City waren es 41 Prozent.

Geringe Erwartungen an die EU

Nichts geändert hat sich am geringen Ausmaß der Erwartung, dass die EU-Staaten enger zusammenarbeiten würden: Das glauben seit Jahren weitgehend unverändert nur 30 Prozent, 70 Prozent (unter den Freiheitlichen sogar 85 Prozent) rechnen nicht damit. Pfarrhofer: "Hier hat die große Geschlossenheit bei den Sanktionen gegen Russland und die Kooperation in Energiefragen kaum Spuren in der Bevölkerung hinterlassen. Allerdings setzen junge Befragte und die Anhänger von ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos deutlich stärker auf die Europäische Union als der Rest der Bevölkerung."

Zwei Drittel der Befragten rechnen mit einem weiteren Erstarken rechter Parteien in Europa – "wobei diese Erwartung von Freiheitlichen wohl eher mit Zustimmung, von Sozialdemokraten und Grünen eher mit Besorgnis geteilt wird", wie Pfarrhofer anmerkt.

Ganz eindeutig ist die Erwartung, dass China in Europa an Einfluss gewinnen wird. 71 Prozent rechnen damit, ebenfalls in den Wählerschaften aller Parteien. (Conrad Seidl, 31.12.2022)