Beim U3-Ausgang am Stubentor steht sie oben neben dem Lift, die Bank, die mich ins Grübeln bringt. Breite Armlehnen zerschneiden die Sitzfläche. Liegen kann hier niemand, von schlafen gar nicht zu sprechen. Sich aneinanderlehnen ist nicht drin, die Tasche muss auf den Schoß. Was soll sie also, diese Bank? Eine Aufstehhilfe für ältere Menschen können die Lehnen sein. Aber eine Bank, die Gruppen von Menschen gegeneinander ausspielt, widerspricht doch sehr dem Ziel der öffentlichen Meublage.

Klar ist: Die Stadt ist, auch wenn wir das nicht merken, rund um die Uhr bespielbar. Da wo untertags Kinder spielen, sitzen abends die Teenager, schlafen nachts Obdachlose – wer ein Frühaufsteherkind hat, sieht manchmal noch die Übergänge der öffentlichen Terminkalender. Wie passen da Bänke dazu, auf denen man nicht liegen kann? Oder auch nicht einmal g'scheit schmusen, for that matter?

Breite Armlehnen teilen die Sitzflächen auf dem Bankerl bei der Öffi-Station Stubentor.
Foto: Regine Hendrich

Im öffentlichen Raum werden permanent Entscheidungen der Nutzbarkeit getroffen. Als Mensch, der gut zu Fuß ist, erkennt man das weniger. Menschen mit Behinderungen wissen um ihren möglichen Bewegungsspielraum allerdings ganz genau Bescheid. Es gibt den englischen Begriff der "hostile architecture" dafür, wenn man Flächen so gestaltet, dass sie für bestimmte Gruppen nicht benutzbar sind. Die Tricks sind mannigfaltig und nicht immer so offensichtlich wie Bänke oder Oberflächen, auf denen man nicht sitzen oder liegen kann. Auch klassische Musik kann als Dauerbeschallung für die Vertreibung benützt werden.

Die feindliche Architektur erzählt oft von Klassenverhältnissen, dann sind eben nicht "durch die Bank" alle gleich. Architektin Gabu Heindl beschäftigt sich mit dem öffentlichen Raum, seiner Politik und seinen möglichen Konflikten. "Hostile architecture" ist ihr als Begriff für diese Vertreibungspraxis der geeignetste, "oft wird das ja auch defensive Architektur genannt, aber es wird da nichts verteidigt, das ist ja ein aggressiver Akt".

Mein Garten, die Jesuitenwiese

Wie läuft das jetzt mit der Gleichstellung im öffentlichen Raum samt seinen Bankerln? Wo beginnt er überhaupt? "Überall dort, wo ich auf andere treffe, die nicht meinesgleichen sind, die nicht meine Familie sind, nicht meine unmittelbare Interessengemeinschaft. Er beginnt halb im Treppenhaus, spätestens, wenn ich bei der Tür draußen bin. Mit Hannah Arendt definiert, ist es dann ein öffentlicher Raum, sobald wir uns in ihn hineinbegeben, sonst gibt es ihn nicht. Sie sieht ihn schon im historischen Athen, als Platz in der Polis, wo auch Politik gemacht wird."

Die Politik ist dem öffentlichen Raum also immer schon eingeschrieben. Was sonst muss er können? "Er deckt all die Bedürfnisse ab, die wir im privaten und im Büroraum nicht abgedeckt haben. Zwei Millionen Menschen in Wien haben vielleicht zwei Millionen Wünsche an den öffentlichen Raum, vom Kartenspielen mit Freunden bis zum Abhängen, Demonstrieren, Lesen, Laptopraustragen, Draußensein mit Kindern oder dem Hund, Andere-Treffen, Flanieren. Es wäre nicht möglich und wird in Zukunft noch viel weniger möglich sein, dass noch der größte private Außenraum so viel abdeckt, das hat man ja schon während der Corona-Zeit gesehen. Da war es Zynismus pur zu sagen, ‚gehts doch in den Garten‘. Es haben nicht alle Leute einen Garten für sich. Eher haben alle gemeinsame öffentliche Gärten. Ich sag immer wieder, ich hab einen Riesengarten, die Jesuitenwiese, und ich teil ihn gern mit anderen."

Die Stadt ist rund um die Uhr bespielbar. Wie passen da Bänke dazu, auf denen man nicht liegen, nicht mal gescheit schmusen kann?
Foto: Regine Hendrich

Dafür braucht es gemeinsame Regeln, aber ohne moralischen Zeigefinger. Immerhin kann man die Regeln demokratisch ausverhandeln: "Die Burggarten-Bewegung hat quasi von unten ausverhandelt, dass man Grün nicht nur anschauen, sondern sich auch draufsetzen können soll. Und plötzlich wurden diese Gärten, diese monarchischen feudalen Räume, auch demokratische, wo jede und jeder sich wo hinsetzen kann." Die Revolution beginnt also auch im Park.

Umsonst pinkeln

Zurück zur Parkbank und zu dem, der sie nutzt: Mehr Druck wird es in Zukunft auf den öffentlichen Raum geben, allein schon wegen der zunehmend heißeren Sommer, sagt Gabu Heindl. Wer welchen Raum wie nützen kann, bestimmt wenig überraschend auch die körperliche Verfassung. "Bei einem Projekt mit Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen ist in deren Erzählungen klar geworden, dass deren Raum maximal reduziert ist. Der öffentliche Raum gewährleistet nicht, was diese Leute brauchen."

Es braucht für die Benützung des öffentlichen Raums nämlich auch die Sicherheit, ein Klo benützen zu können oder eben eine Bank, auf die man sich auch kurz hinlegen kann, wenn einem schlecht ist, und um die man auch nicht, weil es nur so wenige gibt, streiten muss. Sonst ziehen sich Menschen zurück und gehen nur so weit vor die Tür, wie sie wissen, dass sie problemlos wieder zurückkönnen.

"In Berlin gibt’s ja diese wunderbare Initiative ‚Umsonst pinkeln für alle!‘. Es muss möglich sein im öffentlichen Raum, dass Frauen, Kinder, Transgender-Personen, dass jeder und jede die Möglichkeit vorfindet, ohne in ein Lokal gehen zu müssen. Leider setzen viele Städte allzu oft immer noch auf die Verknüpfung mit der Gastronomie, sowohl beim Sitzen als auch beim Klositzen, wenn man so will." Die Benützung des öffentlichen Raums darf nicht zur Geldfrage werden.

Privates Auto, privater Raum

Was es braucht? "Eine Planung der gleichen Chancen. Dafür gibt’s den schönen Begriff ‚equity planning‘". Wenn wir bei der Bankerl-Einheit bleiben: Es geht nicht nur um die Frage, wo und wie viele es gibt, sondern auch, wer sie wie gut erreichen kann. Ein schwacher Mensch aus dem Wohnhaus ohne Lift? Ist das mit den Öffis möglich? Können Leute auch aus den heißen Bezirken rauskommen in die kühleren Gegenden?

"Die Verteilung von Grün in der Stadt ist sehr ungerecht, das ist historisch gewachsen. Der 18. und 19. Bezirk haben viel kühlere und grünere Gegenden, im 10., 15. Bezirk, da sucht man den Baum." Und auch das schönste Bankerl mit Baum nützt nichts ohne Toilette und Wasserzugang in der Nähe.

Wird die autofreie Stadt jemals kommen, wird diese Revolution je stattfinden? "Wir brauchen da einfach auch andere Bilder und Erzählungen. Alle sind total erstaunt, wenn sie hören, dass es beispielsweise in Tokio bis heute nicht erlaubt ist, das private Auto einfach auf der Straße abzustellen. Auch in Österreich war es nicht immer erlaubt." Derweil ist das private Auto immer noch privater Raum, der die Straßen vollstellt, "immer Monopol und privatisiert". Das Bankerl vor der Haustür hingegen war wohl immer schon die Schwelle zur Welt, noch Teil des Zuhauses, aber auch schon öffentlicher Treffpunkt. "Das setzt man bei progressiven Planungen heute in Altersheimen ein, man bringt so die Idee von einem Straßenraum zurück in den Innenraum. Da setzt man sich dann vors Zimmer und trifft jemanden, der auf dem Gang vorbeigeht."

"Aufstehhilfen" kennzeichnen immer mehr Bankerln im öffentlichen Raum.
Foto: Regine Hendrich

Es gälte allgemein, den Raum vor dem Haus zu gestalten, eine Einladung könnte er sein, kurz einmal sitzen zu können, zu rasten. Wie kann man ihn sicher machen für alle, den öffentlichen Raum in seiner Gestaltung? Es "braucht Licht, ja – aber auch uneinsehbare Räume, Nischen für manche, auch wenn die bei anderen Angst oder Projektionen erzeugen, Transparenz ist nicht alles", erklärt Heindl.

Sexuelle Belästigung muss gesellschaftlich geahndet werden, "Architektur kann das nicht kompensieren". Also ja: Beleuchtung, aber wir müssen auch nicht die ganze Stadt komplett durchleuchten, weder ist es ökologisch gut für Fauna und Flora, noch ist überbordendes Sicherheitsbestreben hilfreich. "Insofern soll es Bankerln geben unter der Laterne und neben der Laterne."

Widerstand durch die Bank

Eine "Lieblingsbank" hat Gabu Heindl auch: "Die Camden Bench, die wurde in Camden in London entwickelt, sie hat so viele Ecken und Kanten, dass niemand drauf liegen kann und es für Skater in keiner Weise möglich ist, drauf zu boarden. In der Zwischenzeit ist sie ein Mekka für Skateboarder: Wenn man die Camden Bench schafft, dann ist man richtig gut. Das ist ihre Botschaft: Man kann noch so feindlich planen, das Schöne ist, es wird immer auch Widerspruch geben." (Julia Pühringer, 3.1.2023)