Bild nicht mehr verfügbar.

Nicht alleingelassen, aber in einer Pattsituation: Kevin McCarthy.

Foto: APA / Getty / Chip Somodevilla

Washington – Statt auf einen triumphalen Wahlsieg scheint die Schlacht um den Posten als Speaker des US-Repräsentantenhaus auf ein historisches Geduldsspiel hinauszulaufen. Der republikanische Mehrheitsführer Kevin McCarthy konnte am Dienstag auch nach drei Wahlgängen keine Mehrheit für sich gewinnen – weil sich rechte Abgeordnete aus seiner eigenen Partei gegen ihn stellten und im dritten Wahlgang Jim Jordan aus Ohio 20 Stimmen gaben.

Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass der Speaker des Repräsentantenhauses nicht im ersten Wahlgang gewählt wurde. Die Abstimmung wurde vertagt. Das Repräsentantenhaus setzt die Abstimmung über den mächtigsten Posten im US-Parlament nun am Mittwoch fort.

Republikanische Tristesse

Eigentlich hätten die Republikaner im Kongress am Dienstag allen Grund zum Feiern gehabt: Schließlich übernahmen sie in der größeren der beiden Kammern, dem Repräsentantenhaus mit 435 Mandaten, an diesem Tag offiziell wieder die Mehrheit. Und mit dieser könnte die erklärtermaßen auf Blockade und Widerstand gebürstete Fraktion dem von ihr so verhassten und bekämpften Präsidenten Joe Biden das Regieren doch sehr erschweren.

Doch Opfer dieser Art von destruktiver Politik wurde am frühen Dienstagnachmittag Washingtoner Zeit ausgerechnet die eigene Partei – beziehungsweise Langzeit-Fraktionschef McCarthy: Der Kalifornier, der in der Gruppe schon von 2014 bis 2019 als Mehrheits-, dann ab 2019 als Minderheitsführer die Fäden zog, scheiterte mit seinem Vorhaben, jetzt als Speaker die Nummer drei in der Hierarchie des US-Protokolls zu werden.

Hakeem Jeffries, demokratischer Minderheitsführer im Repräsentantenhaus.
Foto: imago / Jack Gruber

Abstimmungsniederlage

Statt mit den Stimmen seiner 222 Parteifreunde und -freundinnen locker die absolute Mehrheit von 218 Stimmen zu schaffen, landete er zunächst bei nur 203 Unterstützungen – 19 Republikanerinnen und Republikaner hatten sich in der namentlichen Abstimmung gegen ihn gewandt und stattdessen für den Republikaner Andy Biggs aus Arizona oder für andere Volksvertreter ausgesprochen.

Die Demokraten hingegen präsentierten sich einig und stimmten geschlossen für "ihren" Kandidaten Hakeem Jeffries, der im ersten Wahlgang kurioserweise mit 212 Stimmen sogar den Sieg davontrug. Allerdings fehlten auch ihm sechs Stimmen auf die Absolute.

Video: Das US-Repräsentantenhaus hat die Wahl eines Vorsitzenden nach drei gescheiterten Wahlgängen vertagt.
DER STANDARD

Erst versickerte bei den Zwischenwahlen im vergangenen November die von den Trumpianern prognostizierte "rote Welle" (die Farbe der Republikaner, während jene der Demokraten Blau ist, Anm.) und war kaum mehr als ein Plätschern. Dann rebellierten die Ultrarechten gegen McCarthys Bewerbung als Speaker – und letztlich sorgte das soeben neu gewählte Fraktionsmitglied George Santos mit einem – gelinde gesagt – geschönten Lebenslauf für einen Skandal, der die Glaubwürdigkeit der ganzen Partei infrage stellte.

Krisengespräche

Bei McCarthy war nach der Abstimmungsschlappe jedenfalls Krisenmanagement angesagt: In der Sitzungspause unmittelbar nach der ersten Abstimmungsrunde eilte er im Plenum umher, suchte das Gespräch und gab offenkundig Versprechungen ab, um in der zweiten Abstimmung doch noch die 218er-Marke zu knacken.

Doch auch Runde zwei wurde zum Fiasko: Hier scheiterte der Republikaner McCarthy erneut mit 203 Stimmen, 212 bekam wieder der Demokrat Jeffries. 19 Stimmen gingen an den statt Biggs nominierten Alternativkandidaten Jim Jordan aus Ohio. Somit waren 218 Unterstützungen für McCarthy neuerlich außer Reichweite. In Wahlgang drei verhärtete sich die Tendenz sogar noch: Jeffries erhielt 212 Stimmen, McCarthy 202, Jordan 20.

Das rechte Lager der Republikaner schart sich um Jim Jordan aus Ohio.
Foto: EPA / Michael Reynolds

In jedem Fall gab das Geschehen im Repräsentantenhaus zu Washington schon einen Ausblick auf die kommenden zwei Jahre: Die tatsächlich starke Fraktion scheinen die Demokraten zu sein – denn die Republikaner mögen zwar die nominelle Mehrheit haben, diese müssen sie aber erst einmal politisch auf den Boden bringen. (Gianluca Wallisch, Michael Windisch 3.1.2022)