Sie sind vollmundig angetreten, um den vielgescholtenen "Washingtoner Sumpf" trockenzulegen und die angeblich verhängnisvollen Weichenstellungen des Demokraten Joe Biden zu korrigieren. Doch was die US-Republikaner mit ihrer neugewonnenen Macht im Repräsentantenhaus abliefern, ist mit Chaos nur unzureichend beschrieben: Es ist die Bankrotterklärung einer rechten Populistentruppe, die vor laufenden Kameras ihre Politikunfähigkeit demonstriert.

Ernüchterung statt Triumph: ein schlechter Tag für Kevin McCarthy.
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Man muss 100 Jahre in der amerikanischen Geschichte zurückgehen, um auf ein vergleichbares Debakel zu stoßen: Einer bei den Kongresswahlen siegreichen Partei gelingt es trotz absoluter Mehrheit am ersten Sitzungstag nicht, einen Sprecher des Repräsentantenhauses zu bestimmen und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments herzustellen.

Sechs zähe Stunden lang versuchte Fraktionschef Kevin McCarthy in drei Wahlgängen seine Ernennung durchzupeitschen. Doch die Zahl der Gegenstimmen aus den eigenen Reihen nahm nicht etwa ab, sondern zu: Von den 222 republikanischen Abgeordneten rebellierten schließlich 20 offen gegen ihren Frontmann.

Mit weiteren fragwürdigen inhaltlichen und personellen Zugeständnissen wird nun in irgendwelchen Hinterzimmern fieberhaft nach einem Ausweg gesucht. Am Ende wird irgendwann wohl ein republikanischer Sprecher oder eine Sprecherin gewählt werden, denn mit den Demokraten stimmen will niemand in der Trump-Partei. Ob diese Person dann McCarthy oder anders heißt, ist nun völlig offen – aber letztlich auch egal. Schon heute ist klar: Sie wird eine Marionette des rechtsradikalen Flügels der Partei sein.

Trumps Hardliner

Die extremsten Hardliner im Trump-Lager nämlich haben diesen Aufstand angezettelt. Er richtet sich nicht etwa gegen einen Moderaten, sondern gegen einen opportunistischen Karrieristen, der sich dem Ex-Präsidenten unterwürfigst angedient hat. Bis heute hat McCarthy weder den Putschversuch vom 6. Jänner 2021 verurteilt noch die Lüge von der gefälschten Wahl zurückgewiesen. Doch das reicht Extremisten wie Lauren Boebert, die mit einem Sturmgewehr vor dem Weihnachtsbaum posiert, oder Matt Gaetz, der sich über vergewaltigte Frauen lustig macht und mit Neonazis kooperiert, nicht. Sie wollen einen Führer, der so fanatisch ist wie sie und demokratische Institutionen und Regeln mindestens so sehr verachtet.

Das lässt für die zweijährige Amtszeit dieses Kongresses das Schlimmste befürchten. An konstruktiver Ausschussarbeit, Gesetzesinitiativen oder realen Reformen sind diese Republikaner nicht interessiert. Ihnen geht es alleine um einen destruktiven Kulturkampf, der die Basis immer weiter aufwiegelt. Dank der Demokraten-Mehrheit im Senat sind die realen Veränderungsmöglichkeiten der Chaostruppe begrenzt. Umso mehr werden sie auf demagogische Kampagnen und politisches Schmierentheater setzen.

Beunruhigende Aussichten

Für die USA, die in diesem Jahr wichtige politische Entscheidungen von der Anhebung des Schuldendeckels, ohne die ein desaströser Zahlungsausfall und eine Weltfinanzkrise drohen, bis zu möglichen weiteren Ukraine-Hilfen treffen müssen, sind das beunruhigende Aussichten.

Vernichtend aber ist der Befund für die Republikanische Partei, die glaubte, ihre Basis mit ein bisschen Trumpismus bei Laune halten zu können. Tatsächlich wurden moderate Figuren wie Liz Cheney und Adam Kinzinger aus ihrem Kosmos komplett verbannt. Die extremistischen Hardliner aber haben die einstige "Grand Old Party" eiskalt gekapert. (Karl Doemens, 4.1.2023)