Im Gastblog analysiert Religionswissenschafterin Raphaela Hemet, welche Rolle gewisse Dämoninnen im Christentum spielten.

In der Winterzeit erzählte man sich "früher" – das heißt in einer historisch nicht greifbaren Vergangenheit ungenauer Datierung – über allerlei unheimliche und gefährliche Gestalten, die in der kalten und kargen Jahreszeit außerhalb der kuschelig beheizten Räume ihr Unwesen trieben.

Meist handelt es sich bei diesen Winterdämoninnen um Variationen eines hässlichen alten Weibs, das, mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet, unterschiedliche Handlungen setzt, meist jedoch als Strafinstanz für diverse Vergehen agiert. Im Alpenraum wohl am bekanntesten ist Perchta, Perchtra oder Percht, die und vor allem in der Nacht auf den 6. Jänner ihr Unwesen treibt. In diesen und weiteren unzähligen Namensvariationen tritt sie in so vielen Erzählungen auf, dass man sie fast als Urtypus des hässlichen alten Winterweibes bezeichnen könnte. Dennoch gibt es neben ihr noch eine Vielzahl anderer scheinbar eigenständiger Winterdämoninnen, die mit Perchta zwar keinerlei namentliche Ähnlichkeit aufweisen, dafür jedoch hinsichtlich narrativer Elemente in den Sagen, Motive, und Funktionen mit ihr ident erscheinen.

Welche Rolle das Christentum dabei spielt, und wieso dennoch alle (Ur-) Großeltern Recht haben, wenn sie vermeintlich widersprüchliche Aussagen über die Perchta in ihrer Gegend tätigen, erzählt dieser Beitrag.

Kinderschrecken und Spinnstubenfrauen

Eines vorweg: Perchta hat viele Namen, allein in Kärnten kennt man sie als Perchta, Percht, Perchtra oder Pehtra Baba. Sofern nicht anders angegeben, wird sie daher der Einfachheit halber hier und im Folgenden als Perchta benannt.

Eine Rolle von Perchta ist es, Frauen zu bestrafen, die nicht rechtzeitig mit dem Spinnen fertig geworden sind.
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Häufig ist es eine Frage von wenigen Luftlinien, welche Winterdämonin in Verbindung mit einem Erzählmotiv genannt wird. Erste Assoziationen mit Perchta lassen wohl an ihre Rolle als Kinderschreck, als Straferin von Spinnerinnen (also jene Frauen, die ein Spinnrad bedienen und in der Winterzeit das Flachs zu Garn spinnen) oder als Kinderseelenführerin denken. Als Kinderschreck, das heißt Strafinstanz, die unartige Kinder mit sich nimmt, ist Perchta in Teilen Österreichs bekannt; zugleich wird auch über Frau Holle berichtet, sie würde unartige Kinder mitnehmen, während die italienische Befana ebenfalls in der Nacht von 5. auf 6. Jänner loszieht, um böse Kinder zu bestrafen und gute zu belohnen. Auch Perchta belohnt in manchen Erzählgebieten gute Kinder, und hier sogar mitunter anstelle des Nikolaus beziehungsweise in dessen Begleitung am 5. Dezember, wo sie dann scheinbar die männlichen Perchten oder Krampusse vertritt. Ebenfalls als Straferin von unartigen Kindern wird eine gewisse Stampa, Stempe oder Gstampa erwähnt, die zudem sogar Neugeborene sowie deren Mütter entführt, solange kein Mann anwesend ist, der sie vertreibt.

Besonders häufig werden Perchta und andere Winterdämoninnen als Spinnstubenfrauen, das heißt als Strafinstanzen für faule Hausfrauen, die vor Ablauf einer gewissen Frist – etwa bis zum Beginn der Winterquatembertage, wobei mit "Quatembertagen" vier Mal im Jahr stattfindende besondere Buß- und Bet-tage innerhalb der römisch-katholischen Kirche gemeint sind – die alljährlich im Winter anfallenden Spinnarbeiten nicht erledigt haben. Hier wird Perchta je nach Erzählung besonders brachial: Frauen, die nicht rechtzeitig fertig werden, brüht und siedet sie, reißt sie in Fetzen oder schneidet ihnen den Bauch auf und füllt ihn mit Spindeln. Neben Perchta werden auch eine Frauberta beziehungsweise Frau Berta sowie Frau Holle und die slowenische Kvaternica als Spinnstubenfrauen in Erzählungen erwähnt, wie auch die in manchen schweizerischen Kantonen agierende Strägele. Glücklicherweise können diese Spinnstubenfrauen übrigens fast immer ausgetrickst werden, indem man sich in die Nähe eines Mannes bringt, idealerweise in dessen rettende Umarmung oder gleich mit ihm ins gemeinsame Ehebett, zweifelsohne nur, weil dieses den gesegneten ehelichen Bund symbolisiert, und nichts weiter – wobei in jedem Fall wohl von der stummen Hoffnung begleitet, dass die jeweilige Spinnstubenfrau dies nicht als Einladung deutet.

(Kinder-)Seelenführung

Neben diesen strafenden Aspekten tritt Perchta zudem auch als (Kinder-)Seelenführerin auf. So nimmt sie in manchen Erzählungen an der Wilden Jagd teil, die ebenfalls im Winter durch die Lüfte zieht, und neben Wildem Jäger noch Tiergeister und auch die Seelen von sündigen Menschen mit sich führt. Auch soll sie einen Kindleinzug anführen, an dem die Seelen ungetauft verstorbener Kinder teilnehmen und in dessen Prozession sie wohl am Mildtätigsten erscheint. Passenderweise wird sie als Anführerin des Kindleinzugs häufig auch als schöne, in weiß gekleidete Frau beschrieben. Spannenderweise gibt es im Vergleich zu den bisherigen Motiven weniger Erzählungen, in denen eine andere Winterdämonin anstelle Perchtas als Seelenführerin auftritt. Abgesehen von Perchta wird dies vereinzelt auch über Stampa berichtet, allerdings könnte dies auch mehr mit ihrer Rolle als Kindbettdämonin denn mit tatsächlich mildtätigem Handeln zusammenhängen.

Daneben gibt es noch einige andere Motive, die sich mit einzelnen oder mehreren Winterdämoninnen verbinden und vereinzelt auch über Perchta berichtet werden, wie beispielsweise das Winterwettermachen durch das Ausschütteln von Kissen, wie wir es aus dem Märchen von Frau Holle kennen. Letztlich lädt die Beschäftigung mit Folklore immer zu einem Trumpf-Spiel ein: Wird für eine Sagengestalt ein Motiv oder eine Erzählung angeführt, findet sich sofort eine Gegenstimme, die der Assoziation widerspricht und stattdessen mit anderen Motiven, Erzählungen oder Gestalten auftrumpft – eine eigentlich schöne Konstanz, bedenkt man, dass das Erzählen von Sagen und Legenden nicht selten am Wirtstisch überm Kartenspielen erfolgte.

Freie Mitarbeiterinnen für das Christentum

Die letztlich große Gemeinsamkeit, die sich für die Winterdämoninnen ergibt, ist die der Vereinnahmung durch das Christentum – nicht zuletzt auch, wie wahrscheinlich schon aufgefallen sein dürfte, deren Zusammenfassung unter dem Begriff Winter"dämoninnen". Und wenig überraschend, ist doch das Christentum einer der größten "Übeltäter" im Aneignen der Gottheiten, Feste und Praktiken anderer Religionssysteme.

Dementsprechend lautet eine, angefangen bei Jacob Grimm und bis heute gerne wiedergegebene These, bei Perchta und anderen Winterdämoninnen handle es sich um vorchristliche Göttinnen, die nach der Christianisierung im Volksglauben weiter bestehen bleiben konnten. Während es aus wissenschaftlicher Perspektive gelinde gesagt schwierig ist dies zu belegen – immerhin müssten hierfür eindeutig Göttinnen zugeordnet werden, wobei die Quellenlage zu Aufgabenbereichen und Attributen vieler vorchristlicher Gottheiten schwierig liegt –, kann dennoch festgestellt werden, dass das Christentum sich auch an den Gottheiten, Festen und Praktiken vorchristlicher Religionssysteme bediente. Einerseits um den Übertritt zum christlichen Glauben für die zu bekehrenden "Heiden" zu erleichtern, andererseits aber auch, um kahle Stellen in der eigenen Mythologie auszubessern – zumindest in der Theorie. Auf dogmatischer Ebene bedeutete dies zum Beispiel bereits in frühchristlicher Zeit das Erheben Marias in den Stand der Gottesmutter, nach Ansicht einiger Wissenschafter und Wissenschafterinnen nicht zuletzt auch, um für das Fehlen einer christlichen Muttergottheit, an die man mit Fürbitten herantreten konnte und wie sie in den meisten benachbarten polytheistischen Religionssystemen dieser Zeit üblich war, zu kompensieren.

Dass die Winterdämoninnen schon vor der Christianisierung da waren, lässt sich, ebenso wie für andere Sagengestalten, nicht eindeutig belegen. Die mit ihnen verbundenen Motive legen jedoch den Schluss nahe, dass es sich hier nicht um Inhalte der christlichen Mythologie handelt. Brachialgewalt in dieser Größenordnung ist im Christentum höchstens an Märtyrerinnen und Märtyrern sowie dem Heilland selbst angebracht, wird jedoch außerhalb der Hölle an den Gläubigen nicht in diesem Ausmaß vollzogen. Gerade wegen dieser Motive bietet sich jedoch die christliche Uminterpretation an. Schließlich können diese somit als bereits etablierte Strafinstanzen den Teufel als Dämoninnen unterstützen. Die höchstwahrscheinlich ursprünglich vorchristlichen Winterdämoninnen werden damit zu freien Mitarbeiterinnen des Christentums: Im christlich beeinflussten Volksglauben übernehmen sie unterschiedliche Aufträge wie Seelenführung, Belohnung und Strafe, und sind dabei von einzelnen Vorgaben innerhalb des eigentlichen christlichen Betriebs – wie beispielsweise einer gewissen Milde im Ausführen von Strafen – ausgenommen.

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen

Die Hauptarbeit, die die Winterdämoninnen für das Christentum zu leisten haben, besteht jedoch im Bestrafen von Tabuverstößen während christlicher Feiertage. So variieren zwar die Erscheinungszeiten besonders von Perchta dem Naturell von Folklore entsprechend je nach regionalen Erzählungen, fallen jedoch meistens auf die Zeit unmittelbar vor beziehungsweise während christlicher Feiertage. Die Winterquatembertage wurden bereits erwähnt; es gibt jedoch auch Erzählungen, in denen Perchta auch während der anderen über das römisch-katholische Kirchenjahr verteilten Quatembertage in Erscheinung treten soll. Passenderweise wird sie mancherorts auch "Quatemberca" genannt, und auch die in manchen slowenischen Gebieten bekannte Kvaternica trägt den Verweis auf die Quatembertage als Erscheinungszeiten in ihrem Namen. Die Zeit um die Weihnachtsfeiertage bis zum Epiphaniasfest fällt ebenfalls in die Arbeitszeit der Winterdämoninnen, mitunter auch die Winterzeit allgemein, oder, so gar nicht mehr winterlich, Fasching. Grundsätzlich, so scheint es, kann Perchta oder eine ihrer Kolleginnen jederzeit auftreten, vorausgesetzt, an dem jeweiligen Tag findet ein wichtiger Fest- oder Feiertag statt.

Einer der Tabubrüche, den Perchta beziehungsweise eine ihrer Kolleginnen bestrafen, besteht dabei im Verstoß gegen das mit Fest- und Feiertagen einhergehende Arbeitsverbot. Um nichts anderes geht es den Dämoninnen als Spinnstubenfrauen, wenn sie jene Frauen bestrafen, die bis zu einem gewissen (Feier-)Tag nicht fertig gesponnen haben – unter dem Jahr ist es ihnen dahingegen meist egal, wie viel Garn produziert wird.

Ausgestopfter Bauch als Strafe

Auch die so brachial wirkende Gastrotomie, bei der Stroh, Spindeln oder Steine in den aufgeschnittenen Bauch gestopft werden, hängt mit dem Strafen von Tabuverstößen im Zusammenhang mit Fest- und Feiertagen zusammen. Im Gegensatz zu Spinnstubenfrau und Kinderschreck gehört dieses Motiv vermutlich zur ältesten Sagenschicht, die sich für die Erzählungen um die Winterdämoninnen feststellen lässt. Übereinstimmend mit dem in den Erzählungen meist gelebten Prinzip des Ius Talionis – die Strafe entspricht in ihrer Ausgestaltung dem Vergehen – wird durch das Öffnen der Bauchdecke und Füllen des Bauches mangelnde Teilnahme an den an Festtagen stattfindenden Festessen bestraft. Innerhalb der Logik früherer, stark vom Christentum geprägter Gesellschaften stand das Fest-Essen während der Festtage ebenso hoch in der Tugend wie das Fasten während der Fasttage. Gerade die Assoziation Perchtas mit dem Gebot des Fest-Essens ist überraschend alt; schon Jacob Grimm erwähnt ein mittelhochdeutsches Gedicht, das sich in das Jahr 1393 datieren lässt und von einer "Berchten mit der langen nás" handelt, die all jene strafe, die nicht an den feiertäglichen Mahlzeiten teilnehmen. In den 'neueren' Sagenschichten wurde diese Funktion zunehmend durch die Motive Kinderschreck und Spinnstubenfrau verdrängt; was blieb, ist die Strafe der Gastrotomie, die wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer Plakativität für andere Vergehen übernommen wurde.

Eindeutige vorchristliche Bezüge lassen sich bei aller inhärenten Logik jedoch nur schwer feststellen. Meist wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein Bezug zu der vorchristlichen Aufteilung der Wochentage hergestellt, in der in einigen Religionssystemen einzelne Wochentage gewissen Göttern zugeordnet wurden. In diesem Zusammenhang wird von einigen volkskundlichen Interpreten ein bestehendes vorchristliches Arbeitsverbot an Donnerstagen erwähnt. Spannenderweise können einige (wenige) Erzählungen belegt werden, in denen ein Spinnverbot für einzelne Wochentage, unter anderem Donnerstag, besteht, das teilweise sogar von Perchta oder einer anderen Sagengestalt eingefordert wird. Insgesamt muss dazu jedoch gesagt werden, dass es sich hier um relativ frühe Volkskunde handelt, die ihre Aussagen nicht unbedingt nach heutigen wissenschaftlichen Standards belegen kann.

Lektionen für die Gegenwart

Bei all dem, was in Zusammenhang mit den Winterdämoninnen hinterfragt werden kann, bleibt die Frage, was überhaupt mitgenommen werden kann. Wem die hier vorgestellte Legitimation von gelegentlicher Arbeitsruhe und Festessen etwaige, nach Weihnachten aufkommende Schuldgefühle besänftigt, dem sollte jedoch auch klar sein, dass die "fetten" Festzeiten nicht im Ausmaß von Jahren oder gar Jahrzehnten konzipiert waren. Angesichts der Herausforderungen, vor der moderne Gesellschaften und letztlich die Menschheit stehen, ist es vielleicht sinnvoll, sich besonders auf das Ende der Festzeiten zu besinnen. Um auch in Zukunft Festtage haben zu können, braucht es dazwischen die Fasttage, und manche Dinge, wie beispielswiese das Bewältigen von Energie- und Klimakrise sowie anderer gesellschaftlicher Herausforderungen, lassen sich auch nur in Zeiten lösen, in denen gemeinnützige und lösungsorientierte Produktivität ausdrücklich erwünscht ist und Verzicht zur Tugend wird. Wir täten gut daran, uns wieder an das Einhalten von Fasten- und arbeitsintensiven Zeiten zu gewöhnen – möglichst bevor uns die dafür zuständigen Dämonen und Dämoninnen einholen. (Raphaela Hemet, 6.1.2023)