Die Eltern schlafen in einem Hochbett über der Küche, die beiden Kinder je in einer Nische gegenüber der Küchenzeile. Eine Matratze, die sich aus dem Schrank ausziehen lässt, dient als Sofa, ein Klapptisch an der Wand wird bei Bedarf zum Ess- oder Schreibtisch. Die Wohnung, die hier beschrieben wird, ist nur 30 Quadratmeter groß, besteht im Prinzip aus einem Zimmer und beherbergt dennoch eine vierköpfige Familie – theoretisch, denn sie ist fiktiv und wurde vom Möbelhaus Ikea entworfen. Sie soll zeigen, auf wie wenig Raum eine Familie auskommen kann.

Zum Glück nicht ganz so beengt, aber dennoch auf wenig Platz müssen auch in der Realität viele Familien leben. Denn die Mieten steigen – und Eigentum ist durch die hohen Kreditzinsen für viele Menschen gänzlich unerschwinglich geworden. Doch wie viel Platz braucht eine Familie tatsächlich? Welche Lösungen schaffen Privatsphäre auf wenig Raum? Und wie hält man es auch innerhalb weniger Quadratmeter gut miteinander aus?

Fünf auf 75 Quadratmetern

Birgit Buchegger wohnt mit ihrem Mann, drei Kindern und einem Hund auf 75 Quadratmeter Wohnfläche in Salzburg. "Bevor wir hierhergekommen sind, sind wir oft umgezogen", erzählt sie. Innerhalb von drei Jahren wechselte die Familie vier Mal die Wohnung. Müde von den Umzügen, seien sie und ihr Mann froh über eine leistbare Wohnung in der Stadt gewesen. Als das Paar einzog, hatte es zwei Kinder. Das dritte kam erst später auf die Welt. Zu fünft werde es jetzt schon manchmal recht eng, sagt Buchegger. Aber die Familie versucht, jede Ecke der Wohnung auszunutzen, um ihr Hab und Gut zu verstauen – im Vorzimmer reichen die Regale bis unter die Decke, im Kinderzimmer die Kisten mit Spielzeug. Wer in einer kleinen Wohnung lebt, müsse aber auch einen gewissen Minimalismus an den Tag legen: "Ich merke schon, dass man nicht so viel ansammelt. Es geht einfach nicht, alles aufzuheben."

Die Familie von Birgit Buchegger wohnt zu fünft auf 75 Quadratmetern. Um genug Stauraum zu haben, versuchen sie, jede freie Ecke der Wohnung klug zu nutzen – etwa durch ausziehbare Betten im Kinderzimmer.
Foto: Wildbild

Die Wohnung von Familie Buchegger hat vier Zimmer. Das ältere, neunjährige Kind, hat ein eigenes. Die kleineren Kinder sind vier und sechs Jahre alt und teilen sich einen Raum. Damit jeder etwas Privatsphäre hat, haben ihnen die Eltern ein Hochbett aus Holz gebaut, das sich auseinanderschieben lässt, wodurch ein Rückzugsort entsteht. Weil die Räume klein sind, hätten sich manche Aktivitäten in ein anderes Zimmer verlagert: das Schuheanziehen, das Zähneputzen. "Vorraum und Badezimmer sind für fünf Menschen einfach zu klein."

Wie wird das später?

Natürlich sehne sie sich ab und zu nach einer größeren Wohnung, sagt Buchegger. Wenn alle daheim sind, werde es manches Mal laut und eng. Aber aktuell komme die Familie noch zurecht. Allerdings frage sie sich schon manchmal, wie es wird, wenn die Kinder älter sind und ihren eigenen Raum brauchen. "Wir scherzen manchmal, dass es dann wir, die Eltern, sein werden, die ausziehen."

Im Vorzimmer hat Familie Buchegger Regale bis unter der Decke.
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Zu fünft auf 75 Quadratmetern – reicht das? Die Architekturpsychologin Christina Kelz beschäftigt sich mit der Frage, wie Räume gestaltet sein müssen, damit man sich darin wohlfühlen kann, und sagt: "Es ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, wie viel Platz jemand braucht." Es gebe auch keine Forschung, die zeige, dass bereits Babys und Kleinkinder ein eigenes Kinderzimmer benötigten. "Kleine Kinder suchen ja von sich aus immer die Nähe zu ihren Eltern. Sie wollen bei ihnen schlafen, bei ihnen aufwachen." Privatheit nennt die Psychologin ein "erlerntes Konstrukt". Eigentlich erst ab dem Volksschulalter würden Kinder Ruhe und Rückzugsorte benötigen, etwa um sich auf die Hausübungen konzentrieren zu können.

Bis dahin könne man ihnen auch in anderen Zimmern eigene Bereiche einrichten, etwa im Wohnzimmer oder im Schlafzimmer. Es müsse dazu auch nicht unbedingt eine Wand eingezogen werden. "Diese Bereiche können auch durch einen Spielteppich entstehen, durch eine andere Wandfarbe oder eine Höhle, die mit Polstern ausgelegt ist."

Kinder bräuchten ohnehin nicht so hohe Raumhöhen, ihnen gefalle es, wenn es wo eng und kuschelig ist. Lebe eine Familie auf wenigen Quadratmetern, gelte es, kreativ zu werden: Welche Bereiche der Wohnung sind noch ungenutzt? An welche Ecken haben wir noch nicht gedacht? "Vielleicht kann eine Ablage in der Küche oder ein Fensterbrett als Steharbeitsplatz dienen, da tut man auch gleich der Gesundheit etwas Gutes."

Neue Prioritäten

Kelz ist überzeugt davon, dass der Trend hin zu weniger Wohnraum geht. Die Leistbarkeit sei ein Grund – aber nicht der einzige. Auch die Wertigkeiten hätten sich verändert. Die Wohnfläche allein sei kein Statussymbol mehr. Neben jenen, die sich einfach keine größere Wohnung leisten können, gebe es immer mehr Menschen aus der Mittel- und Oberschicht, die sich ganz bewusst für weniger Quadratmeter entscheiden. "Ihnen ist etwa Nachhaltigkeit ein Anliegen."

Hinzu kommt, dass viele Menschen ihre geliebten Grätzeln in der Stadt nicht verlassen wollen, weil sie dort tiefverwurzelt, gut angebunden und schnell im Büro, Theater, im Kino oder in ihrem Lieblingsrestaurant sind. Größere Wohnungen könnten sich viele nur auf dem Land oder am Stadtrand leisten. Manche bedenken auch bereits, dass eine geräumige Wohnung oder ein großes Haus später, wenn die Kinder ausgezogen sind, wahrscheinlich wieder zu groß für sie sein wird. Also bleiben sie, wo sie sind, werden kreativ und gehen Kompromisse ein.

So wie der Architekt Oliver Elser. Seine Frau und er haben viele Jahre lang im Wohnzimmer übernachtet oder, besser gesagt: auf ein Wohnzimmer verzichtet. Die Familie lebt in Frankfurt am Main und hat sich bewusst gegen eine größere Wohnung entschieden. "Unsere Freunde wohnen in der Nähe, die U-Bahn liegt ums Eck – wir wollten einfach nicht umziehen und schon gar nicht noch mehr Miete zahlen", sagt er. Ihren beiden Töchtern haben Elser und seine Frau jeweils ein Zimmer überlassen, die Eltern selbst haben für sich ein "Multifunktionszimmer" eingerichtet, wie er es nennt, das gleichzeitig Schlaf- Arbeits- und Wohnzimmer war. Mittlerweile ist die älteste Tochter ausgezogen, "über die Einrichtung eines richtigen Wohnzimmers können wir jetzt also wieder nachdenken".

Ein Zimmer für alles

In der Küche hat die Familie einen Esstisch, an dem alle Platz haben, und im Multifunktionszimmer steht ein Fauteuil, das als Couchersatz dient. Der vordere Teil eines Kinderzimmers wurde zum begehbaren Bücherschrank umfunktioniert. "Dort habe ich ein Wegerecht", erzählt der Architekt schmunzelnd. Und Fernsehen? "Das findet immer auf einem der Betten statt." Hin und wieder sei die Familie trotzdem an ihre Grenzen gestoßen und hatte das ein oder andere Platz- bzw. Verteilungsproblem.

Auch wenn die Entscheidung für weniger Wohnraum freiwillig getroffen wurde, sieht Oliver Elser als Architekt auch eine Gefahr: "Natürlich brauchen viele Menschen weniger Platz, als sie bewohnen, aber dieser Aufruf zu einer vernünftigen Selbstbeschränkung wird sofort von der Wohnungswirtschaft ausgenutzt – und plötzlich kommen Kleinstwohnungen auf den Markt, die überproportional viel kosten."

Schlafen im Wohnzimmer

Stephanie Leeb konnte sich ihre Wohnsituation nicht aussuchen. Sie lebt mit ihrer 16-jährigen Tochter in einer 40-Quadratmeter-Gemeindewohnung. Bei Wiener Wohnen gilt die Regel: pro Person ein Zimmer. Also haben Leeb und ihre Tochter gemeinsam ein Schlaf- und ein Wohnzimmer. "Für ein Paar ist das optimal, aber in unserem Fall führt es eben dazu, dass ich dem Kind das Zimmer überlasse und von jeher keine Privatsphäre habe, da ich im Wohnzimmer schlafe", sagt Leeb. Dort steht eine Klappcouch, die tagsüber zum Sofa umfunktioniert wird; mit einer Tagesdecke.

Stephanie Leeb hat ihrer Teenagertochter das Schlafzimmer überlassen; sie selbst schläft im Wohnzimmer – einem Durchgangszimmer.
Foto: Heribert Corn

Als Alleinerzieherin kann sich Leeb eine größere Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht leisten. In ihrer Situation sei gute Kommunikation beim Zusammenleben wichtig, sagt sie, die dennoch unter der Situation leidet. Noch dazu ist das Wohnzimmer ein Durchgangszimmer. Auf dem Weg ins Badezimmer oder in die Küche muss ihre Tochter also stets das Wohnzimmer durchqueren. "Sie ist oft länger wach als ich, und auch wenn ich sie bitte, dass ich mal Ruhe brauche, beim Toilettengang kann man sich halt nicht absprechen", sagt Leeb.

Leeb kritisiert, dass bei der Vergabe von Gemeindewohnungen nicht auf die Lebensumstände der Bewohnerinnen Rücksicht genommen werde.
Foto: Heribert Corn

Wohl auch deshalb ist Sabine Stiller der Meinung, dass es sehr wohl ein gewisses Minimum an Platz braucht. Stiller plant und baut für Familien Wohnungen um, die eigentlich zu klein geworden sind. 70 Quadratmeter sollten es für eine vierköpfige Familie mindestens sein, sagt sie. Auf wenig Raum sei es umso wichtiger, klare Regeln und einen Plan fürs Zusammenleben aufzustellen, etwa wer wann außer Haus muss oder das Bad benutzen darf. "Eltern dürfen ihre Kinder auch bitten, abends in ihren Zimmern zu spielen, denn nur so kann ein Paarbereich entstehen."

Ein Kinderzimmer zu wenig? Für dieses Problem hat die Interior-Designerin Agathe Descamps die Wohnwand "Kubatur" entwickelt.

Foto: Chris Saupper und Komplizen

Stiller ist der Meinung, dass nicht jedes Familienmitglied ein eigenes Zimmer braucht, aber sehr wohl einen Rückzugsort. Das setzt sie für ihre Kundinnen und Kunden mit Hochbetten, Podesten, Schiebetüren, Vorhängen oder Nischen um.

Das Möbelstück ist Stockbett, Raumtrenner und Stauraum in einem – und macht aus einem Zimmer zwei Räume.
Foto: Chris Saupper und Komplizen

Auch die Wiener Interior-Designerin Agathe Descamps hat für dieses Problem eine praktikable Lösung entworfen: eine Wohnwand fürs Kinderzimmer, genannt "Kubatur", die gleichzeitig Raumtrenner und Stockbett ist – inklusive Stauraum. Dadurch werden aus einem Kinderzimmer zwei.

Eine soziale Frage

Und wie würde Sabine Stiller Stephanie Leebs Gemeindewohnung umgestalten? "Eine Möglichkeit wäre, einen Schrank zum Raumteiler zu machen, sodass ein Gang zum Badezimmer entsteht." Das klingt zwar gut, doch vielen Familien fehlen die finanziellen Mittel, um ihre Wohnung für mehr Privatsphäre umzubauen oder gar eine Innenarchitektin zu engagieren. Am Ende ist es eben eine soziale Frage, ob man aus freien Stücken auf kleinem Raum wohnt – oder keine andere Wahl hat. Und das entscheidet wohl auch darüber, ob man auf wenig Platz glücklich wird. (Lisa Breit, Bernadette Redl, 7.1.2023)