Lukas Resetarits machte die Veränderung der Sprache mit wie kaum jemand anderer. Der Burgenlandkroate lernte, als er nach Wien kam, so schnell wie möglich den Dialekt der Stadt, um nicht diskriminiert zu werden. Heute ist ausgerechnet er einer von jenen, die den Wiener Dialekt hochhalten.

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Sprache verändert sich. Ständig. Und das ist auch gut so. Das muss man sich vor allem als alter weißer Mann vor Augen führen. Erst recht, wenn man kinderlos ist und bei den Familientreffen rund um Weihnachten seit langem wieder auf diverse Gschroppen traf – und sich über deren Artikulation wunderte. Die Jugendlichen sprechen heute ein gekünsteltes, teilweise nasales Hochdeutsch mit sehr skurrilen Batzen Englisch. Vor 50 Jahren hat man darüber geschimpft, dass die Jugendlichen kurze Sätze bildeten und Bumm und Klesch sagten. Die wurden seinerzeit, so sagte man, von Schundheftln verdorben. Das Problem hat sich bei den meisten ausgewachsen. Eine Zeitlang war dann alles ur und mega. Heute beeinflussen die Sprache Fernsehserien, Tiktok-Videos und Youtube-Channels von digitalen Jungpromis, denen man seinerzeit am Schulhof maximal die Jausn gsteßn hätt.

Sexualisierte Gemüsebilder

Die Verrohung der Sprache ist so alt wie die Sprache an sich. Zumindest was das Gesprochene angeht. Erst seit breite Bevölkerungsschichten auch halbwegs umfassend schreiben können, gehen diese zurück zu Piktogrammen. Was als Höhlenmalerei seinen Anfang nahm, gipfelt heute in Smileys, sexualisierten Gemüsebildern und gezeichneten Kothaufen mit Gesicht drauf. An diesem Punkt mag sich nicht jedem sofort erschließen, was an der aktuellen Reduzierung der Sprache gut sein soll.

Auf der anderen Seite gibt es Änderungen, die für manche eine wilde Verkomplizierung der Sprache darstellen. Geschlechter, die bislang mitgemeint waren, geben sich nun die Ehre und wollen ausgeschrieben oder verbal zumindest mit einem Glottisschlag versehen werden. Versucht man den Spieß umzudrehen und das männliche Geschlecht der Einfachheit halber mitzumeinen – frage nicht! Weltuntergang für übersehene alte weiße Männer. Hier wird ein wenig offensichtlicher, warum die Aufregung die Zeit nicht wert ist. Dabei ist so wichtig, wie die Bewahrerinnen und Bewahrer mit den Sprachveränderungen umgehen.

Anpassen oder nicht?

Reagiert man auf das jugendliche Kunsthochdeutsch, indem man versucht, dieselbe Sprache zu sprechen, drückt man Sympathie aus – und macht sich lächerlich. Spiegeln heißt das in der Psychologie. Redet man aber weiter, wie man es gewohnt ist, oder verfällt sogar noch stärker in den Dialekt, muss das Liebe sein. Dann hören die Jugendlichen diese Sprache wenigstens noch und werden auch nicht vergessen, was a Hiafla ist, a Pomfinebara, a Tetschn und a Aanpratzla (Einarmiger) – auch wenn es die letzten beiden in freier Wildbahn nur mehr selten gibt.

Lukas Resetarits lässt in seiner Biografie Krowod erzählen, wie sehr er sich bemühte, sich schnell das Wienerische anzueignen, damit ihm seine Herkunft nicht zum Nachteil gereichte, wenn er den Mund aufmachte. Heute ist er einer der wenigen, die den herrlichen, morbiden und schonungslosen Wiener Dialekt sprechen und verbreiten. Burgenlandkroatisch kann er immer noch. Weil es daheim gesprochen wurde.

Das Burgenlandkroatisch wird nur mehr in einer kleinen Gruppe hochgehalten. Von den Kindern versteht es kaum noch eines. Weil es niemand mit ihnen spricht. Später wird es ihnen vielleicht leid tun. Dialekten droht dasselbe Schicksal, wenn wir sie nicht sprechen. Also reden wir, wie wir es gewohnt sind, auch wenn wir von Jungen deswegen manchmal deppert angstiert wern. (Guido Gluschitsch, 6.1.2023)