Kilian Albrecht steht Shiffrin als Manager zur Seite.

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Shiffrin schätzt ihr Umfeld: Mutter und Coach Eileen war immer da, ...

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... Freund Aleksander Aamodt Kilde ist ein Seelenverwandter.

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Jetzt steht sie auf einer Stufe mit Lindsey Vonn.

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Am Dienstag (18 bzw. 20.45 Uhr, ORF 1) werden bis zu 15.000 Fans beim Slalom in Flachau erwartet. Mikaela Shiffrin könnte mit einem 83. Weltcupsieg alleinige Rekordhalterin der Frauen vor Lindsey Vonn werden. Ihr österreichischer Manager Kilian Albrecht gerät ins Schwärmen, er sieht die beste Shiffrin aller Zeiten.

STANDARD: Haben Sie nach Shiffrins Rekordsieg in Kranjska Gora gefeiert?

Albrecht: Wir waren im Ziel und haben alles erledigt. Dann sind wir weitergefahren. Am Dienstag steht der nächste Slalom an. Acht Rennen in 15 Tagen, ein Stress ohne Ende.

STANDARD: Machen die Siege den Stress für Shiffrin erträglicher?

Albrecht: Als Vierte geht man nach dem Rennen zurück ins Hotel. Wenn man gewinnt, kommen zahlreiche Termine, Interviews und die Siegerehrung am Abend dazu. Mit zweimal Runterfahren ist es längst nicht erledigt. Der Tag fängt um fünf Uhr früh an, und gerade für die Besten endet er spät.

STANDARD: Shiffrin kennt diesen Rhythmus, sie siegt seit zehn Jahren ununterbrochen. Haben Sie dafür noch Worte?

Albrecht: Für die meisten ist es nicht möglich, in einer einzigen Disziplin zehn Jahre erfolgreich zu sein. Mikaela schafft das vom Slalom bis zur Abfahrt. Es ist unfassbar.

STANDARD: Sie wissen, wie schwierig es ist, ein Weltcuprennen zu gewinnen.

Albrecht: Tja, ich habe kein einziges gewonnen. 82 Siege sind Wahnsinn.

STANDARD: Shiffrin betont immer wieder, dass Rekorde nicht so wichtig seien. Ist das ein Abwehrmechanismus?

Albrecht: Wenn man zu viel darüber nachdenkt, wird man es nicht schaffen. Natürlich kommen die Gedanken, man wird ja ständig auf die Rekorde angesprochen. Das ist zermürbend. Und dennoch hat Mikaela es beeindruckend durchgezogen.

STANDARD: Kann die Jagd auf Rekorde auch Motivation sein?

Albrecht: Das reicht als Motivation nicht aus. Es geht darum, sich immer weiter zu verbessern. Das verstehen nur Aktive. Wenn man im Training geile Schwünge zieht, bringt das mehr Befriedigung als ein Sieg. Es ist der Drang nach dem perfekten Schwung.

STANDARD: Und trotzdem haben für Außenstehende Rekorde einen besonderen Reiz.

Albrecht: Für die Erzählung sind Rekorde von Bedeutung, für den Skisport sind sie unbezahlbar. Ein Superstar inspiriert. Man sieht, was möglich ist. Um solche Rekorde brechen zu können, muss man aber eine Ausnahmeerscheinung sein.

STANDARD: Es geht gleich weiter. Jetzt sprechen alle über die 86 Siege von Ingemar Stenmark.

Albrecht: So ist das Business. Vergleiche zwischen Männern und Frauen zu verschiedenen Zeiten sind schwierig. Aber es ist ein Segen, dass man in der Position ist, diese Marke angreifen zu können. Mikaela hat drei harte Jahre hinter sich. Der tragische Tod ihres Vaters hat sie mitgenommen. Sie hatte Rückenverletzungen, es war nicht mehr alles so selbstverständlich.

STANDARD: Sie hat auch in dieser schwierigen Zeit den Gesamtweltcup und vier WM-Medaillen gewonnen. Ist bei ihr alles relativ?

Albrecht: Sie bewegt sich auch in solchen Zeiten auf hohem Niveau. Die Reaktionen nach ihren Ausfällen bei den Spielen waren teilweise unter der Gürtellinie. Ein Reporter hat von der größten Enttäuschung der olympischen Geschichte gesprochen. Sie hat bis zum Ende gekämpft, hat sich allen Fragen gestellt. Das allein war zwei Goldmedaillen wert.

STANDARD: Shiffrin hat nach dem Scheitern in Peking Hasspostings veröffentlicht. Haben ihr die Reaktionen zugesetzt?

Albrecht: Auf Social Media gibt es nicht nur Menschen, die es gut meinen. Aber sie hat das verarbeitet und ist wieder aufgestanden. Sie hätte an dieser Stelle aufhören können. Aber nein, sie macht weiter, gewinnt eine Abfahrt und den Gesamtweltcup. Jetzt steht sie besser da denn je.

STANDARD: Ist die Shiffrin der Saison 2022/23 die beste aller Zeiten?

Albrecht: Ja. Mikaela ist gereifter. Sie trifft ihre Entscheidungen, hat sich weiterentwickelt. Das muss sie, der Sport bleibt nicht stehen, alle werden besser. Eine Fahrt, die früher zu einem Sieg geführt hat, würde heute nicht mehr für das Podest reichen.

STANDARD: Trotz der zahlreichen Erfolge wirkt Shiffrin immer bodenständig. Was macht sie charakterlich aus?

Albrecht: Sie ist immer höflich, immer ehrlich. "Humble", sagen die Amerikaner, also bescheiden. Das ist für mich beeindruckender als die Siege. Ich kenne keinen netteren Menschen.

STANDARD: Als Sie Shiffrin zum ersten Mal auf Skiern gesehen haben, haben Sie mehrmals nachgefragt, ob sie tatsächlich erst 15 Jahre alt sei. War das überragende Talent offenkundig?

Albrecht: Ich war sofort von ihr überzeugt. Sie war 15, niemand hat sie gekannt. Ich bin auf der Suche nach Sponsoren zu einigen Firmen gegangen. Ich habe gesagt, dass diese Rennläuferin bald gewinnen wird. Dass sie Weltmeisterin und Olympiasiegerin wird. Sky is the limit, habe ich gesagt. Alle haben mich angesehen, als hätte ich den Verstand verloren. (Philip Bauer, 10.1.2023)