Es wird schwer sein, loszulassen, gibt Andreas Hörmer zu. Nach vier Jahren Planung und unzähligen Arbeitsstunden im Reinraum der Technischen Universität Graz wird der Systemingenieur das 4,6 Kilogramm schwere, etwa schuhschachtelgroße Gerät mit dem Auto ins tschechische Brno bringen, wo es auf eine Halterung montiert wird, auf der es später an der Spitze einer Rakete der europäischen Weltraumorganisation Esa ins All fliegen soll.

Der neue Nanosatellit Pretty mit ausgeklappten Solarpaneelen.
Foto: Lunghammer/TU Graz

Am Dienstag gab es eine letzte Möglichkeit der Besichtigung. Erst einmal im All, wird es der sechste Satellit aus österreichischer Produktion sein und der dritte, der an der TU Graz gebaut wurde. Er trägt den hübschen Namen Pretty, was eine Abkürzung für "Passive ReflectomeTry and DosimeTrY" ist und selbst innerhalb der Raumfahrt als einer der komplizierteren Missionsnamen gelten kann. Besonders wichtig ist dabei das im Namen enthaltene Reflektometer. Dieses erlaubt eine extrem genaue Vermessung der Erdoberfläche, insbesondere der Eisflächen und der Meere: Fünf bis zehn Zentimeter soll die Auflösung betragen.

GPS als Radioquelle

Das Besondere an Pretty ist, dass er dafür keine eigenen Signale aussenden wird. Stattdessen wird er die Signale von Satellitennavigationssystemen wie GPS und Galileo dafür nutzen. Steht ein GPS-Satellit günstig, wird sein Signal von der Erdoberfläche reflektiert und kommt verzerrt und verzögert bei Pretty an. Dieses lässt sich mit dem direkten Signal vergleichen. "Mit diesen beiden Signalen können wir dann Berechnungen durchführen", sagt Manuela Wenger, Leiterin des Pretty-Projekts an der TU Graz. So lasse sich auf die Form der Erdoberfläche rückschließen.

Diese Analysen würden von einem internationalen Forschungskonsortium durchgeführt. "Der Satellit wird in einem sonnensynchronen, polaren Orbit ausgeworfen werden", sagt Wenger. "In einigen Umläufen erfassen wir damit die ganze Erde." Es gibt bereits Satelliten, die ebenfalls GPS-Signale nutzen, doch Pretty wird ein neues Frequenzband verwenden, das noch bessere Auflösung verspricht. Zusätzlich ist ein Strahlungsdetektor der Firma Seibersdorf Labor GmbH zur Messung von Sonnenaktivität und Weltraumwetter mit an Bord.

Der Satellit im Reinraum, wo er zusammengebaut wurde. Im Inneren befinden sich standardisierte Komponenten, die für den Cube-Sat-Standard entwickelt wurden.
Foto: Lunghammer/TU Graz

Als Basis für den Satelliten, der zu den Nanosatelliten gezählt wird, dient das Cubesat-Konzept, erklärt Heinrich Fragner, Projektleiter beim Weltraumunternehmen Beyond Gravity, das das an Bord befindliche Reflektometer gebaut hat: "Diesen Standard gibt es seit etwa 15 Jahren. Die Normung führt dazu, dass man wesentlich günstiger arbeiten kann." Gewisse Komponenten sind für Cubesats bereits erhältlich, etwa die Batterie und das Stromversorgungssystem. Die Kosten sind mit 2,5 Millionen Euro für einen Satelliten tatsächlich niedrig. Sie werden von der Esa, zu deren Etat auch das österreichische Klimaministerium beiträgt, getragen.

Graz ist als europäisches Zentrum für Weltraumforschung eigentlich für seine Messgeräte bekannt, die noch in der Zeit des Kalten Krieges vorwiegend bei russischen Weltraummissionen zum Einsatz kamen. Es war die Pionierarbeit von Willibald Riedler, der die Nähe zu den Sowjets mitten im Kalten Krieg nicht scheute. Trotz vieler Highlights in den letzten Jahrzehnten und Teilnahmen an spektakulären Missionen wie der Kometenmission Rosetta sind eigenständige Raumsonden selten. Fragner erklärt, dass man ursprünglich mit der Esa nur wegen eines Messgeräts in Kontakt war, bevor man vor vier Jahren ein Angebot für einen eigenen Satelliten machte.

Manuela Wenger ist die Leiterin des Pretty-Projekts an der TU Graz. Andreas Hörmer ist der Systemingenieur.
Foto: Lunghammer/TU Graz

Das Buchen eines Flugs

Der Flug mit der Vega-C-Rakete, die vom Weltraumhafen Kourou in Französisch-Guyana abheben soll und die Nummer VV23 trägt, ist bereits "gebucht", wie Hörmer erklärt. Doch Probleme mit der letzten dort gestarteten Rakete sorgen nun für Verzögerungen von zumindest zwei Wochen. Die Vorfreude, aber auch Nervosität ist dem Team anzumerken. Projektleiterin Manuela Wenger hat den Satelliten zwar geprüft und mittels Vakuumkammer und Rüttelplatten die Phasen der Mission durchgespielt, doch alle Tests können die Wirklichkeit nur simulieren.

Ob das Instrument letztlich seinen Zweck erfüllt, wird man erst sehen, wenn es sich in seiner Umlaufbahn befindet und wie vorgesehen mit der an der TU Graz befindlichen Bodenstation kommuniziert. Erst danach werden beim Team die Sektkorken knallen. Die geplante Laufzeit ist konservativ mit einem Jahr angegeben. Doch das galt auch für Prettys Vorgänger Tugsat-1, der inzwischen seit 2013 im Dienst ist. Es besteht also berechtigte Hoffnung darauf, dass der Satellit seinen Erbauerinnen und Erbauern noch länger Freude bereiten wird. (Reinhard Kleindl, 11.1.2023)