Was liegt, das pickt: Die Klimaaktivistinnenhand ist auf unsere Straßen gekommen, um vorderhand auch dort zu bleiben.

Foto: APA / Eva Manhart

Wie es sich in einer "Klima-Aktionswoche" geziemt, herrscht nicht nur auf heimischen Straßen gespannte Erwartung. Die Angehörigen der Gruppe Letzte Generation machen nunmehr jenen Ernst, den sie der Gesamtlage zusprechen. Dabei zeichnen sich die Klimaschützer durch eine zwiespältige Form der Anhänglichkeit aus. Aktivisten kleben ihre Hände auf die Asphaltoberfläche exponierter Verkehrswege: So bewahren sie ausgerechnet dem Fortschritt, dessen Folgen sie mit Blick auf die Erderwärmung fürchten, physisch die Treue. Es ist der Leim, der Dauer stiften soll. Indem der Sekundenkleber die Zusammengehörigkeit von Haut und Straße simuliert, drängt die ehrwürdige Protestform des Sitzstreiks auf ihre vorläufige Verewigung.

Wer in der Berichterstattung des ORF die teils amüsierten Mienen der Autofahrer gesehen hat, wird das Pathos des Zuwiderhandelns nicht nur ernst nehmen. Wie jeder, der sich mit den Reitern der Apokalypse im Bunde sieht, muss auch der Klimaaktivist damit rechnen, wie ein Bußprediger belächelt zu werden.

Doch die Wiederkehr des An-die-Straße-Klebens kündet von einer Hartnäckigkeit, die man sonst Phänomenen zuspricht, über die man nicht frei verfügt. In der Psychoanalyse meint die "Wiederkehr des Verdrängten" die Tendenz unliebsamer Elemente, unaufgefordert wieder im Bewusstsein zu erscheinen. Als Abkömmlinge des "Unbewussten" erinnern sie den Betroffenen ans Vorhandensein unangenehmer Wahrheiten.

So gilt noch für die Klimaaktivistin, die auf den Verkehrsweg die Hand draufhält, folgender Satz Freuds: dass sich "in und hinter dem Verdrängenden endlich siegreich das Verdrängte geltend" mache. Symptome sind unabweislich. Die Umweltaktivisten ketten ihr Dasein an den Ausdruck unserer Verblendung: an die Straßen, durch deren Befahrung fossile Brennstoffe in CO2 verwandelt werden. Zugleich fließt durch die Kapillaren des Fortschritts unser aller ökonomisches "Blut". Die Stockung soll kein vorübergehendes Malheur darstellen. Die Hand der Aktivistin klebt fest, um nicht mehr zu verschwinden.

Prinzip der Leugnung

Sie greift nicht nach Einzelgütern: Sie tastet den Wohlstand an, indem sie ihn zur Gänze "aufhebt". Die Doppelnatur der klebenden Hand stellt unsere Ressourcenverwaltung infrage. Insofern sind die martialischen Töne aus der Ecke der wahlwerbenden Landeshauptfrau von Niederösterreich keine Übertreibung, die man lediglich der "fokussierten Unintelligenz" (Michael Häupl) von Wahlkämpfen zuschreiben mag.

Das dahinterstehende Prinzip ist das von Verdrängung und Verleugnung. Die Hand, die klebt, wird bald nicht mehr wegzudenken sein. Manifest geworden ist ihre doppelte Bedeutung: Sie stellt unsere Abhängigkeit vom Wachstum infrage. Sie bezeichnet die Verquickung unseres Wohlstands mit der Idee beliebig steigerbarer Mobilität.

Zugleich ist ihr Widerstand auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Die "Frage" nach dem Überleben unter klimatisch prekären Bedingungen kennt kaum Antworten. Indem wir unter dem Zwang stehen, Wertschöpfung zu betreiben, werden wir von der Verbringung von Menschen und Gütern schwerlich absehen können. Wer daran nicht denkt, tut genau dasjenige: Er verdrängt. (Ronald Pohl, 11.1.2023)