Der Arbeitsmarkt brummt, die Zahl der Jobsuchenden ist zurückgegangen, das hat Hannes natürlich mitbekommen. Er selbst profitierte davon aber bisher nicht. Der 53-Jährige aus Wiener Neustadt ist mit einer kurzen Unterbrechung seit mehr als zwei Jahren arbeitslos. Er hat lange im Lager gearbeitet, erzählt Hannes, wurde krank und sei im Krankenstand gekündigt worden. Via AMS ließ er sich umschulen, nun ist er Assistent für Finanz- und Rechnungswesen. Job hat er allerdings weiter keinen.

Seine gesundheitlichen Probleme, er ist herzkrank, schrecken Arbeitgeber ab, sagt Hannes. Das Alter sei auch ein Problem: Bei manchen Stellen, für die er sich bewerbe, könne er in den Onlineformularen sein Alter gar nicht eingeben.

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375.000 Menschen waren zuletzt jobsuchend gemeldet. Ihr AMS-Geld ist an die teure Realität nicht angepasst.
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Dabei ist das mit der Jobsuche für den Niederösterreicher durch die Teuerung dringlicher geworden. Um 8,5 Prozent sind die Preise im vergangenen Jahr gestiegen, wobei die Zahlen bei Gütern des täglichen Bedarfs noch dramatischer sind. Lebensmittel haben sich um 15 Prozent verteuert. Die Miete von Hannes ist ebenfalls gestiegen, plus 50 Euro. Was fast unverändert geblieben ist: Sein Notstandshilfebezug. Um die 1.100 Euro bekommt der frühere Lagerarbeiter heute vom AMS.

Die hohe Teuerung bleibt

Die Inflation ist das bestimmende wirtschaftspolitische Thema, und die türkis-grüne Regierung hat einiges unternommen, um die Effekte der Teuerung abzufedern. Die kalte Progression wurde abgeschafft. Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe steigen künftig mit der Inflation mit. Aber bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gab es keine Anpassung.

Die Auswirkungen bekommen Menschen wie Hannes in den kommenden Monaten zu spüren. 2022 hat die Regierung mit Zahlungen ärmere Haushalte spürbar unterstützt. So gab es den erhöhten Klimabonus über 500 Euro für alle, davon profitieren natürlich auch Arbeitslose. Beim ärmsten Drittel der Haushalte wurde ein großer Teil des Preisanstiegs abgefedert, zeigt eine Rechnung des Ökonomen Kurt Kratena vom Wiener Forschungsinstitut Cesar. Aber was wird 2023?

Kleiner Zuschlag für Kinder

Wer in Österreich den Job verliert, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, im Regelfall für 20 bis 52 Wochen, je nach Dauer der Beschäftigung davor. Dann folgt die Notstandshilfe, die in Österreich in der Dauer unbegrenzt ausbezahlt wird. Um einen Job bemühen muss man sich natürlich immer.

Das Arbeitslosengeld entspricht 55 Prozent des vorherigen Nettoverdienstes, für Kinder gibt es einen kleinen Zuschlag. Nun steigen aktuell die Löhne und Gehälter der Menschen, die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst brachten ja einige ansehnliche Abschlüsse. Menschen, die schon arbeitslos sind, haben davon aber natürlich nichts.

Lohnsteigerungen greifen erst nach und nach

Und auch alle, die erst in Zukunft arbeitslos werden, profitieren nur mit Zeitverzögerung von den Lohnsteigerungen – was laut Silvia Hofbauer, Arbeitsmarktexpertin der Arbeiterkammer, ein großes Problem für Betroffene ist. Denn die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich nach den zwölf Monaten des Vorverdienstes. Und die Lohnsteigerungen greifen erst jetzt nach und nach.

Aus rechtlichen Gründen wird meist noch weiter in die Vergangenheit abgestellt, bei jemandem, der jetzt den Job verliert, ist der Lohnzettel von 2021 relevant. Es gibt einen Korrekturmechanismus: Lohnzahlungen aus dem vorvorigen Jahr werden bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes etwas aufgewertet. Mindestens ein Jahr Zeitverzögerung, bis das AMS-Geld steigt, gibt es aber jedenfalls.

Wer Notstandshilfe bezieht, tut dies im Schnitt eineinhalb Jahre lang. Hier gibt es also lange keine Anpassung an die Inflation, die Notstandshilfe verliert derzeit deutlich an Wert.
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Die ohnehin größere Problemgruppe sind aber die 130.000 Notstandshilfebezieher. In Österreich werden jedes Jahr viele Menschen arbeitslos, fast 860.000 waren es vergangenes Jahr. Viele finden recht rasch einen Job. Es gibt aber auch die Langzeitarbeitslosen, die ein Jahr oder länger nichts finden. Wer Notstandshilfe bezieht, tut dies im Schnitt eineinhalb Jahre lang. Hier gibt es also lange keine Anpassung an die Inflation, die Notstandshilfe verliert derzeit deutlich an Wert. Dazu kommt, dass die Notstandshilfe niedriger ist als das Arbeitslosengeld, etwa 92 bis 95 Prozent davon.

Ausgleich für manche

Hier gilt es, eine wichtige Einschränkung zu machen. Für einen Teil der Bezieher gibt es sehr wohl eine Inflationsanpassung: Arbeitslose und Notstandshilfeempfänger, denen wenig Geld zusteht, bekommen einen Ergänzungsbetrag, um sie auf das Existenzminimum von monatlich aktuell 1.110,26 Euro zu bringen. Dieser Betrag richtet sich nach der Ausgleichszulage und wird jährlich angepasst, zuletzt sogar etwas stärker als die Inflation.

Wer schon bisher in etwa diesen Betrag vom AMS erhalten hat, so wie Hannes, erhielt heuer keine Anpassung. Und die Anpassung ist begrenzt, auf mehr als 60 Prozent des vorherigen Nettolohns darf das AMS-Geld nicht steigen, bei Personen mit Kindern sind es 80 Prozent.

Der Arbeitsmarktexperte des Forschungsinstituts Wifo, Helmut Mahringer, kritisiert jedenfalls die fehlende Indexierung: "Ziel von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ist es, den Lebensstandard der Betroffenen abzusichern und ein zu tiefes Abrutschen zu verhindern", sagt Mahringer. Durch die hohe Inflation gelinge das bei einem Teil der Betroffenen nicht mehr. Warum andere Sozial- und Versicherungsleistungen indexiert würden, diese aber nicht, sei unverständlich.

Bei der Arbeiterkammer heißt es: "Die Leistungen bei Arbeitslosigkeit müssen existenzsichernd sein und dürfen nicht in Armut führen. Selbst bei längerer Arbeitslosigkeit wird der Anspruch jedoch nicht angepasst. So schützen Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht vor Armut", sagt Arbeitsmarktexpertin Silvia Hofbauer.

Verhandlungen gescheitert

Verhandelt wurde eine Indexierung der Notstandshilfe zwischen ÖVP und Grünen bei der Debatte über eine Arbeitsmarktreform. Die ÖVP hätte einer Anpassung zugestimmt, aber nur bei einer großen Reform, was auch eine Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten für Jobsuchende gebracht hätte. Das wollten die Grünen nicht.

Markus Koza, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Grünen, sagt, dass von der Regierung gesetzte Maßnahmen auch 2023 Jobsuchenden helfen. Er erwähnt etwa die Strompreisbremse. "Ich gehe dennoch davon aus, dass wir für besonders vulnerable Gruppen noch einmal Pakete schnüren werden." (András Szigetvari, 11.1.2023)