Ali Khamenei mit dem neuen Polizeichef Ahmedreza Radan.

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Die Meldung, dass Verstöße gegen die Kopftuchregeln im Iran noch strenger geahndet werden, folgt wenige Tage nach der Ernennung des neuen nationalen Polizeichefs: Ahmedreza Radan, den der geistliche Führer Ali Khamenei vor einigen Tagen auf diesen Posten setzte, ist eine Wahl, mit der sich die Hardliner-Medien zufrieden zeigen. Auf dem gleichen Posten in Teheran ließ er Jagd auf "unislamische" Kleidung und unmoralisches Verhalten machen.

Bei der Niederschlagung der Proteste von 2009, nach der umstrittenen Wiederwahl von Mahmud Ahmadinejad als Präsident, spielte Radan eine führende Rolle. Damals war er stellvertretender nationaler Polizeichef. Er steht deshalb auf westlichen Sanktionslisten.

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DER STANDARD

Laut der Nachrichtenagentur Mehr kommt der aktuelle Befehl, noch schärfer vorzugehen, von der Generalstaatsanwaltschaft – deren Leiter Mohammed Jafar Montazeri Anfang Dezember in einer Pressekonferenz gesagt hatte, die Aktivitäten der Sittenwächter seien ausgesetzt. Das hatte Medien international zur Meldung veranlasst, die Institution sei "aufgelöst".

Das war nie der Fall, dennoch vermittelten einige Wortmeldungen den Eindruck, dass es Stimmen im Regime gebe, die für mehr Milde plädierten. Montazeri hatte auch davon berichtet, dass die "kulturelle Kommission" des Parlaments zu der Hijab-Frage beraten werde. Nie stand zur Diskussion, dass das Kopftuchgebot fallen könnte, nur, wie man mit der Implementierung umgehen solle.

Ein Anflug von Milde war scheinbar auch von Khamenei selbst gekommen: Anfang Jänner sagte er in einer Ansprache, dass auch Trägerinnen des sogenannten "schlechten Hijab" "unsere Frauen und Töchter" – und nicht notwendigerweise gegen die Islamische Republik – seien. Ein Artikel auf Amwaj.media machte jedoch darauf aufmerksam, dass die Bemerkung im Zusammenhang mit dem Gedenken an Ghassem Soleimani gefallen war, den vor drei Jahren von den USA in Bagdad getöteten Kommandeur der Al-Quds-Einheit der Revolutionsgarden: Ein ähnlicher Ausspruch soll von Soleimani bekannt sein.

Neue Geldstrafen

Die Überlegungen des Regimes dürften jetzt wieder vom Tisch sein, die Hardliner haben sich offenbar durchgesetzt: Die Überwachung werde über das ganze Land neu ausgerollt. Es soll neue Geldstrafen geben – was natürlich auch bedeuten könnte, dass man von Festnahmen eher Abstand nimmt. Nach der mutmaßlichen Misshandlung durch die Gasht-e Ershad, die Sittenpolizei, war die wegen "schlechten Hijabs" festgenommene 22-jährige Kurdin Mahsa Amini gestorben, was die seitdem laufenden landesweiten Proteste ausgelöst hatte.

Die Behörden dürften künftig auch wieder strenger gegen alle vorgehen, die vermeintliche Unmoral tolerieren: etwa Betreiber von Cafés und Restaurants, die zur Strafe geschlossen werden können. Die Hijab-Disziplin werde auch wieder in Autos verstärkt kontrolliert, meldete AFP. Dabei handelt es sich um ein ursprünglich 2020 gestartetes Überwachungsprogramm. Durch die Nummerntafeln erfasste Autobesitzer bekommen eine SMS, in denen sie aufgefordert werden, für die Einhaltung der "Normen der Gesellschaft" in ihrem Auto zu sorgen.

Harter Kurs gegen Demonstranten

Zwei Tage nach der Ernennung von Radan bestätigte Khamenei in einem offiziellen Statement den harten Kurs gegen Demonstranten und Demonstrantinnen. Einen Mistkübel anzuzünden sei "ohne Zweifel Verrat" – auf Verrat steht schlimmstenfalls die Todesstrafe. Wer die Sicherheit zerstöre, versuche, die Stärke des Iran zu zerstören.

Die unterschiedlichen Signale dazu, wie streng die Hijab-Pflicht zu verfolgen sei, könnten auch auf Unstimmigkeiten dazu innerhalb des Regimes hindeuten. Die hat es ganz offensichtlich auch bei der Frage gegeben, ob man ehemalige Reformpolitiker wie Präsident Mohammed Khatami (1997–2005) – die jedoch bei den heutigen jungen Demonstrantinnen und Demonstranten keinen Einfluss mehr haben – als Vermittler einsetzen sollte. (Gudrun Harrer, 12.1.2023)