Österreich hat eine gute Gesundheitsversorgung. Aber wenn man die seit Monaten immer wieder aufkommenden Hilferufe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einiger Spitalsabteilungen hört, drängt sich die Frage auf, wie lange das noch so bleibt. Wenn ein Wiener Notfallmediziner (wie im STANDARD vorige Woche) sagt, eine adäquate Notfallversorgung von Patientinnen und Patienten sei nicht mehr gewährleistet, lässt das schaudern. Wenn ein Pfleger erzählt, er und seine Kolleginnen seien körperlich am Limit und einige würden erwägen, die Branche zu wechseln, schrillen alle Alarmglocken.

Und wenn man dann noch in den Ohren hat, wie Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vor wenigen Wochen sagte, ohne Strukturreformen fahre das Gesundheitssystem an die Wand, verfestigt sich ein Gefühl der Sorge.

Mit der wichtigen Ressource Arbeitskraft wurde in Krankenhäusern bisher sorglos umgegangen.
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Das gravierendste Problem ist der zunehmende Pflegemangel in den Spitälern. Er führt dazu, dass Betten gesperrt und weniger dringende Operationen verschoben werden müssen. Auch fehlen in manchen Bereichen Fachärztinnen und Fachärzte, beispielsweise in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Ein weiterer Teil des Übels ist, dass zu viele Menschen ins Krankenhaus kommen, die dort gar nicht hingehören. Sie binden die ohnehin knappen Ressourcen der hochspezialisierten Versorgung. Für sie braucht es im niedergelassenen Bereich entsprechende alternative Angebote, die teilweise aber fehlen.

Längerfristige Verbesserungen

Es braucht aber auch mehr Personal für die Krankenhäuser. Im In- und Ausland werde fleißig rekrutiert, heißt es vonseiten der Landespolitik und Spitalsbetreiber. Außerdem werde die Zahl der Pflegeausbildungsplätze aufgestockt, was längerfristig Verbesserungen verspricht. Das ist wichtig und notwendig. Dass wir in einem sicheren, reichen Land mit hoher Lebensqualität leben, ist da von Vorteil. Wir müssen den Menschen aus dem Ausland aber auch das Gefühl vermitteln, dann wirklich hier willkommen zu sein.

Und dann ist da noch die Sache mit der Wertschätzung für jene, die den Betrieb tagtäglich aufrechterhalten. Etwas, das Krankenhausbedienstete oft vermissen. Von Spitalsträgern und der Politik erfordert das genauso viel Anstrengung wie das Anwerben und Ausbilden neuer Arbeitskräfte – und das ist eine große Herausforderung, wenn ohnehin bereits enorme Belastungssituationen auftreten. Hier sind die Chefinnen, Patienten und die Kollegenschaft diverser Berufsgruppen gefragt. Psychische Belastung muss abgefedert und Hilfe muss organisiert werden. Spitalsangestellte in Wien klagen aber zum Beispiel darüber, dass Gefährdungsanzeigen nicht ernst genommen würden und es keinen Sinn mache, auf Überlastung hinzuweisen. Das klingt nach Resignation. Von diesem Gefühl ist es kein allzu weiter Weg bis zur Kündigung.

Vor den aktuellen Problemen wurde lange gewarnt, doch mit der wichtigen Ressource Arbeitskraft wurde sorglos umgegangen. Ein Beispiel zeigt das: Erst seit diesem Sommer befragt der Wiener Gesundheitsverbund, mit steigender Fluktuation konfrontiert, abgehende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach ihren Gründen. Bis dahin war es offenbar nicht von Interesse, warum jemand – womöglich nach Jahrzehnten – alles hinschmiss. Mit mehr Fachkräften ist es also nicht getan. Es braucht auch ein anderes Mindset in den Chefetagen, um Spitalsmitarbeitende zu halten. (Gudrun Springer, 12.1.2023)