M3gan ist ein hyperintelligenter Prototyp mit gefährlichem Beschützerinstinkt und Tiktok-Tanzmoves.

Foto: Universal

In der Weihnachtszeit lagen die Puppen nicht nur unterm Weihnachtsbaum, auch im Kino waren die begehrten Spielzeuge omnipräsent. Mitte Dezember stellte Warner Brothers den ersten Trailer zu Greta Gerwigs sehnlichst erwartetem Barbie-Film online und sprengte mit mittlerweile 7,7 Millionen Klicks alle Erwartungen. Darin zu sehen: eine geniale humoristische Referenz auf Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssee, die zu Also sprach Zarathustra das Ende der Ära der Baby- und Porzellanpuppen einläutet.

Warner Bros. Pictures

Jetzt startet M3gan. Der Puppenhorror der Horrormeisterproduzenten Jason Blum (Get Out) und James Wan (Annabelle, Saw) konnte an seinem Startwochenende in den USA fast an Avatar: The Way of the Water anschließen, und das mit einem Bruchteil von dessen Budget. Hier dräut vielleicht keine neue Ära, aber doch ein Twist des Horrorpuppengenres. Ein M3gan-Sequel ist naturgemäß bereits in Planung.

Hype im Netz

Der Hype findet nicht nur im Kino, sondern auch im Netz statt: In Youtube-Videos vergleichen Fans die Roboterpuppe M3gan mit dem Horrorklassiker aus Chucky – Die Mörderpuppe von 1988, und fast immer hat M3gan die Nase vorn. Angesichts der zähen 1980er-Nostalgie ein beachtliches Ergebnis. Hinzu kommen Flashmobs in M3gan-Kostümen. Der Tanz der intelligenten Mörderpuppe ist seit der Veröffentlichung des Trailers zum viralen Tiktok-Hit geworden.

2023 wird also, so könnte man prognostizieren, das Jahr der Puppen. Doch ein Comeback von Stoff- oder Porzellanpuppen darf man sich nicht erwarten, stattdessen werden die beliebten Spielwaren neu erfunden. Wie Gerwig Barbie-Klischees durchkreuzen wird, ist noch offen, tun wird sie es in jedem Fall.

Die Puppe in M3gan jedenfalls besticht vor allem durch Intelligenz und Charakter. In dem runden Puppenkopf auf dem kindsgroßen Titangestell denkt ein Hirn aus Computerchips. Drüber ist ein Gesicht aus Silikon gespannt, das M3gan mit einem äußerst zeitgemäßen Aussehen ausstattet: In den Zügen findet man nur noch ein bisschen Chucky, viel eher kommt sie im Look der fiesen höheren Tochter daher.

Frankenstein-Rezept

Damit ist M3gan, so die Hoffnung des Spielzeugunternehmens unter der Leitung des erratischen Chefs David (erratisch: Ronny Chieng), wie geschaffen, um der neueste Hit auf dem Luxusspielzeugmarkt zu werden. Denn die Superreichen haben ohnehin keine Zeit für ihre zu Hause geschulten Kinder. Geschaffen wurde M3gan von Spielzeugdesignerin und Technerd Gemma, gespielt von Ex-Girls-Star Allison Williams, die bereits in Jordan Peeles Durchbruch Get Out bewiesen hat, dass sie ein Händchen für den etwas anderen Horror hat. Designerin Gemma ist allerdings nicht M3gans Mutter, und das ist gut so, denn das Klischee, wonach der Schöpfer künstlicher Intelligenzen auch Elternteil des Geschöpfes ist, wird hier nicht bedient.

Universal Pictures

In die Mutterrolle wird Gemma dennoch geschmissen. Als Patentante ihrer Nichte muss sie sich nach dem Tod von deren Eltern um die kleine Cady (toll: Violet McGraw) kümmern, was ganz und gar nicht in ihr Lebenskonzept passt, das sich einzig und allein um ihre Arbeit und künstliche Intelligenzen dreht.

Wann ist die Babysitterin zu gut?

Gemmas Zuhause ist durch und durch smart, und so sieht sie auch kein Problem darin, Cady den Prototyp M3gan vorzustellen. Die traumatisierte Waise und die schlaue Puppe formen eine enge Bindung. Doch schon bald treten Probleme auf, denn M3gan nimmt ihren Auftrag, Cady vor emotionalem und physischem Schmerz zu bewahren, allzu ernst. Gesellschaftliches Zusammenleben ist nie frei von Spannungen, und so erkennt M3gan in fast allen Personen, die mit Cady interagieren, eine potenzielle Gefahr, die es zu beseitigen gilt.

Regisseur Gerard Johnstone gelingt ein überaus gelungener Horrorthriller, spannungsreich inszeniert, mit tollem Soundtrack, ganz ohne Chucky-Slasher-Momente. Schließlich wird in dem klugen Drehbuch von Akela Cooper und James Wan künstliche Intelligenz nicht als plattes Schreckensszenario entfaltet, vielmehr geht es um die unbezahlte emotionale "Arbeit", die unsere smarten Freunde von uns übernehmen: Wann ist die Babysitterin zu gut? Wann die Freundin zu besitzergreifend? Wann die Mutter zu fürsorglich? Und was passiert, wenn eine Puppe all diese Aufgaben zu gut erfüllt? (Valerie Dirk, 14.1.2023)