Autor und Kulturjournalist Ulrich Weinzierl.

Wien – Es gibt Menschen, die stehen so sehr für ihre Zeit, dass der Moment, in dem sie gehen, letzte Gewissheit schafft, dass etwas unwiderruflich vorbei ist. Ulrich Weinzierl, 1954 in Wien geboren und am Freitag mit 68 Jahren ebendort verstorben, war Feuilletonist. So stellte er sich ganz unapologetisch vor, als ihm die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt 1996 ihren Preis für literarische Kritik und Essay verlieh.

Weit über Österreich hinaus war er ein herausragender Vertreter der im deutschsprachigen Zeitungswesen einzigartigen Mischform zwischen tagesaktuellem Handwerk und literarischer Miniatur. Das Feuilleton, eine Form, die über aktuelle Kulturberichterstattung hinaus die literarischen, kulturellen und politischen Fragen der Zeit gebündelt austrug, hatte in den 1990er-Jahren noch einmal einen kurzen Boom, bevor es sich im digitalen Wandel der Medien fragmentierte. Weinzierl sah damals schon das schmerzlich Unzeitgemäße daran. Feuilletons seien "Leihgaben aus dem Museum für Printmedien".

Promovierter Germanist

Ulrich Weinzierl war nicht nur Literatur- und Theaterkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und später der Welt, sondern brillanter, vielfach preisgekrönter Essayist und Autor bahnbrechender Arbeiten über Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig. Der über Alfred Polgar promovierte Germanist schien die wandelnde Expertise fürs "Altösterreichische", aber ohne jede nostalgische Verklärung. Den unverstellten Blick auf das 20. Jahrhunderts erlernte er aus den zeitgeschichtlichen Arbeiten seiner Mutter, der Historikerin Erika Weinzierl.

Für jüngere, sich progressiver wähnende Kollegen war der aufgeklärte Konservative dennoch gesuchter Gesprächspartner. Er stellte präzise Betrachtungen stets über den weltanschaulichen Kontext und brillierte dabei mit einer rar gewordenen bürgerlichen Tugend, der Selbstironie. (Uwe Mattheiß, 16.1.2023)