Gina Lollobrigida wurde 95 Jahre alt.
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Rom – Das Kino kennt viele Traumpaare, von beiden Seiten muss da immer eine Menge stimmen, Chemie und Charisma in perfekter Harmonie. Im Jahr 1952 waren die Geschlechtervorstellungen noch relativ traditionell, viele Frauen warteten auf einen Märchenprinzen. Nicht wenige hätten damals sofort unterschrieben, wenn man ihnen Gérard Philipe empfohlen hätte. Im Film Fanfan, der Husar von Christian-Jacque war aber immerhin als progressiv zu verzeichnen, dass das Rüschenhemd quasi eine frühe Unisex-Mode war, die auch der weiblichen Hauptdarstellerin neben Philipe sehr gut stand: Gina Lollobrigida.

Sie wurde mit der Rolle der Wahrsagerin Adeline berühmt und reihte sich in die Riege der italienischen Starschauspielerinnen ein, die in diesen Jahren nach dem Krieg eine gesellschaftsfähige Erotik ausstrahlten. Sophia Loren war ein ähnlicher Typ, bald darauf tauchte mit Monica Vitti schon eine etwas mysteriösere Erscheinung auf, und die Objektwahl wie das Liebesspiel wurden komplizierter. Begriffe wie Entfremdung waren plötzlich im Schwange, mit denen Gina Lollobrigida nicht viel hätte anfangen können.

Sie wurde oft als "die schönste Frau der Welt" bezeichnet. Die italienische Schauspielerin Gina Lollobrigida, einer der größten Stars des europäischen Kinos in den 1950er- und 60er-Jahren, ist im Alter von 95 Jahren gestorben
DER STANDARD
Gina Lollobrigida beim Internationalen Filmfestival in West-Berlin 1958.
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Kontrasteffekte

Sie wollte nichts anderes sein als Die schönste Frau der Welt – so hieß jedenfalls ein Film aus dem Jahr 1955, in dem sie auch ihre Gesangskunst unter Beweis stellen konnte und einem russischen Prinzen den Kopf verdrehte. Dass sie 1956 in Der Glöckner von Notre-Dame neben Anthony Quinn ebenfalls hinreißend aussah, hatte hingegen auch mit Kontrasteffekten zu tun, denn der Quasimodo, zu dem sie die Esmeralda war, ist ja ein Inbegriff von Benachteiligung im Wettbewerb der Attraktionen.

Lollobrigida 1959 in King Vidors "Salomon und die Königin von Saba".
Foto: imago images/Prod.DB

Luigina Lollobrigida, geboren 1927 in Su biaco nicht weit von Rom, kam über Schönheitswettbewerbe zum Theater und von dort zum Film. Ihre Karriere begann in einer Zeit, in der ein Mogul wie Howard Hughes noch meinte, sie einfach einkaufen zu können: Sie unterschrieb einen Vertrag mit ihm, zog dann aber zurück und war danach eine Weile für Hollywood gesperrt. Weil die amerikanische Filmindustrie damals aber längst weltweit tätig war, schaffte sie es zum Beispiel in den Monumentalfilm Solomon and Sheba (1959) von King Vidor und legte dort einen lasziven Tanz hin, wie es sich für das Genre gehörte.

Die italienische Filmdiva bei der Eröffnung des Vergnügungsparks Disneyland Paris im Jahr 1992.
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Längst war sie so populär, dass sie vor lauter Rollenangeboten kaum mehr ein und aus wusste. Michelangelo Antonioni, der sie für Die Dame ohne Kamelien haben wollte, gab sie einen Korb. Und bei Fellinis La dolce vita will es die Anekdote wissen, dass sie zwar für eine Rolle vorgesehen war, das Drehbuch aber nie zu Gesicht bekam – ihr Ehemann hatte es angeblich verlegt. Es handelte sich um einen slowenischen Arzt, der seinen Beruf aufgab, um ihr Manager zu werden, und mit dem sie 1960 nach Toronto übersiedelte.

Seifenoper und Regenbogenpresse

Ihre Filme aus dieser Zeit ergeben eine erratische Kollektion – so spielte sie etwa im letzten Film von Frank Tashlin auf (The Private Navy of Sgt. O’Farrell, 1968) oder in der Komödie King, Queen, Knave (1972) von Jerzy Skolimowski. Um 1970 gab es auf jeden Fall einen Bruch in ihrer Leinwandpräsenz, sie tauchte dann aber in der Seifenoper Falcon Crest wieder auf, in einer Rolle, für die auch Sophia Loren gefragt worden war. Damals war sie aber auch schon mit einem zweiten Standbein tätig, als Fotografin, die Prominente vor die Kamera bat – und das mit durchaus seriöser Ambition. 2013 sollte sie noch einmal etwas unterschreiben, dieses Mal eine finanzielle Vollmacht an einen sehr viel jüngeren Mann, auf Spanisch – die gerichtlichen Auseinandersetzungen darum waren für die Regenbogenpresse danach lange ein gefundenes Fressen.

Der US-amerikanische Schauspieler Rock Hudson und Gina Lollobrigida bei Film "Come September", 1960.
Foto: AP / Remo Nassi

Im höheren Alter begann sie sich auch politisch zu betätigen, in der kleinteiligen Parteienlandschaft Italiens wechselte sie von den Demokraten (damals die Fraktion hinter Romano Prodi) zu der populistischen Italia So vrana e Popolare, für die sie 2022 für einen Parlamentssitz kandidierte. Am Montag ist Gina Lollobrigida im Alter von 95 Jahren gestorben. (Bert Rebhandl, 16.1.2023)

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