Die "Öffnung der Bibliothek zum allgemeinen Nutzen" verfügte Kaiser Karl VI., und so steht es auch in der Widmung über dem Mitteleingang der Nationalbibliothek. 1723 war Baubeginn, die kostenlose Nutzung des Bücherhorts wurde in der Bibliotheksordnung festgeschrieben. Bis sie schließlich der ganzen Bevölkerung offenstand, dauerte es naturgemäß noch. Mit der heutigen Rolle als Touristenmagnet hätte Karl VI. indes mutmaßlich weniger Freude gehabt. "Herumspazierer" mögen fernbleiben, ließ er festhalten. Ebenso übrigens Faule und Unwissende. Dabei bietet der Prunksaal auch abseits von Büchern so viel zum Schauen!

Statue von Karl VI. im Stil eines römischen Kaisers im Prunksaal.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Deshalb begeht die Institution den 300. Jahrestag mit der soeben eröffneten Ausstellung Fischer von Erlach und der Prunksaal des Kaisers. Zugleich feiert man den 300. Todestag des Barockarchitekten, der im Jahr des Baubeginns starb.

Ruhm bleibt in der Familie

Wie hoch angesichts dessen sein Anteil am umgesetzten Bau ist, ist nicht ganz gewiss. Die Forschung ist sich einig, dass das Konzept und besonders der Innenraum auf ihn zurückgehen. Darauf deuten nicht nur Ähnlichkeiten zu Elementen anderer seiner Bauten hin: Als Oberinspektor für Hofbauten unter Kaiser Karl VI. scheint es unmöglich, dass er seine Finger nicht im Spiel hatte. Der Ruhm bleibt aber in der Familie: Sohn Joseph Emanuel übernahm nach Johann Bernhards Tod die Ausführung bis zur Fertigstellung 1735, auch in der Karlskirche.

Blick in den Prunksaal bei der Restaurierung in der zweiten Jahreshälfte 2022.
Foto: Klaus Pichler

Die kleine Schau im Prunksaal erzählt anhand von Zeichnungen und Stichen die Geschichte des Baus. War die kaiserliche Büchersammlung zuvor über mehrere Residenzen oder das Minoritenkloster verstreut, gab es nun erstmals einen permanenten Aufstellungsort in einem eigenen Gebäude. Man sieht Grundrisse, Aufrisse, Detailzeichnungen. 1726 stand der Bau, dann ging es an die Ausgestaltung. Immer wieder war diese aber bedroht. Kurz nach Fertigstellung traten etwa schon Baumängel auf, weil als Fundament ein vorheriger Bau genutzt worden war. Eisenring um die Kuppel und eine Verstärkung tragender Bauteile fingen größeren Schaden ab.

Menschenkette

Fotografien dokumentieren in jüngerer Zeit den Brand der Hofburg 1992, bei dem 10.000 Bücher mittels Menschenkette in Sicherheit gebracht wurden. Gar die ganze Bibliothek wurde wegen zunehmender Bombengefahr 1943 geräumt. Bücher, Skulpturen und Globen fanden den Weg in den Keller. Die Gelegenheit des leeren Saals wollte man nach Kriegsende für eine umfassende Restaurierung nutzen, es fehlten aber die Mittel.

Die Renovierungsarbeiten im Prunksaal der Nationalbibliothek. Unter anderem wurden Vergoldungen erneuert.
Foto: Klaus Pichler

Erst 1955 wurde der Plan schließlich umgesetzt – und in den letzten zwei Jahren wieder: Nutzte die ÖNB den ersten Lockdown 2020 für eine neue Beleuchtung und Sicherheitstechnik, wurde von Juni bis Dezember vorigen Jahres Staub von Statuen abgetragen, Vergoldungen erneuert, Regale mit Laser gereinigt. Vier Millionen Euro hat das gekostet. Der alte Glanz ist wie neu. (Michael Wurmitzer, 17.1.2023)