Ein Buch sorgt für angespannte Stimmung zwischen dem OeNB-Direktorium und einem OeNB-Experten.

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"Angst und Angstmacherei" heißt das Buch, das in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) in den vergangenen Monaten für atmosphärische Störungen gesorgt hat. Geschrieben haben es Martin Schürz, Volkswirt in der OeNB und Psychotherapeut, sowie Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer (AK), der Zsolnay-Verlag hat es Ende September auf den Markt gebracht. Die beiden anerkannten Volkswirte sprechen sich darin unter anderem für eine Obergrenze von Vermögen aus, die demokratisch bestimmt werden solle. Sie selbst schlagen vor, dass bei einer Milliarde Euro Schluss sein solle. Explizite Thesen, die für Schürz Folgen haben sollten.

Vorgestellt haben die beiden ihr Buch am 27. September noch gemeinsam, im Karl-Renner-Institut, der SPÖ-Parteiakademie. Seit Anfang November ist Schürz, der seit rund 20 Jahren federführend im Bereich Vermögensverteilung in Europa forscht, in dem Konnex aber nicht mehr aufgetreten. Alle weiteren rund 30 Lesungen und Präsentationen absolvierte Marterbauer allein, obwohl die beiden Autoren eigentlich ausgemacht hatten, sich abzuwechseln. "Die ersten Präsentationen haben wir noch gemeinsam gemacht, seither mache ich Präsentationen und Lesungen alleine, weil mein Co-Autor sich jeden Auftritt genehmigen lassen müsste", erklärt das Marterbauer auf Anfrage.

Abgesagte Auftrittstermine

Wie das kam? Im OeNB-Direktorium unter Gouverneur Robert Holzmann haben Schürz‘ Aktivitäten gröberes Missfallen ausgelöst. Im Haus wird kolportiert, vor allem seine Idee vom Vermögensschnitt hätten zu einem Zerwürfnis mit Holzmann geführt, der der FPÖ zugerechnet wird. Der sehe darin quasi linke Enteignungsideen eines als "Volkswirt der Notenbank" titulierten Autors, die sich nicht in Einklang mit der OeNB bringen ließen.

Faktum ist, dass es schon Mitte November zu emotional geführten Unterredungen des Direktoriums mit Schürz gab, im Beisein des Betriebsrats. Die Folge sei, so heißt es im Haus, eine Art "Auftrittsverbot" für den Ökonomen gewesen, begründet damit, dass Schürz Vorschriften nicht eingehalten habe, wonach er seine Vorgesetzten vor Erscheinen des Buchs informieren und sich Lesungen und Buchpräsentationen vorab genehmigen hätte lassen müssen.

Eine Reaktion des Direktoriums, die es so noch nie gegeben habe, wenngleich das Thema "private" Publikationen von Notenbankexperten schon unter den Ex-Gouverneuren Ewald Nowotny oder Klaus Liebscher immer wieder zu Diskussionen geführt habe. Kritiker sehen im Vorgehen des Direktoriums, flapsig gesagt, eine Art Maulkorb.

OeNB: "Kein Auftrittsverbot"

Und was sagt die Nationalbank dazu? Sie kalmiert. "Es existiert kein Auftrittsverbot seitens der OeNB gegenüber ihren Mitarbeitenden. Vielmehr ermutigt die OeNB als Expertenorganisation ihre Mitarbeitenden, aktiv an fachlich relevanten Diskussionen teilzunehmen", erklärt Holzmanns Sprecher Rudolf Kaschnitz, ohne Namen zu nennen. Es gebe aber Pflichten, die Vorgesetzten zu informieren, "den Rahmen dafür bilden die für alle Mitarbeitenden internen Dienstbestimmungen".

Darin heißt es gemäß STANDARD-Recherche wörtlich: "Dienstnehmer, die unter Nennung ihres Namens wirtschaftspolitische oder wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichen oder Vorträge halten wollen, die den Aufgabenkreis der Bank betreffende Gebiete berühren, sind verpflichtet, vor der Veröffentlichung der Arbeiten das Konzept ihrem jeweiligen Ressortdirektor rechtzeitig zur Genehmigung vorzulegen."

Marterbauer: "Keine OeNB-Themen berührt"

Genau da scheiden sich aber die Geister. Schürz' Co-Autor Marterbauer argumentiert, dass das Buch ja gar keine Notenbank-Belange berühre: "In unserem Buch stellen wir die Verteilungsfrage und bieten Konzepte an wie etwa Obergrenzen für Vermögen. Dass man damit aneckt und Widerspruch auslöst, ist klar. Wir haben aber Fragen der Geldpolitik und Finanzmarktstabilität, die die OeNB betreffen würden, bewusst ausgespart. Uns geht es um Demokratie und Gerechtigkeit."

Vielleicht tritt Schürz aber sowieso bald wieder mit seinem Buch auf. Holzmanns Sprecher Kaschnitz berichtet nämlich, dass "der angesprochene Fall" im Rahmen eines Gesprächs "für alle Beteiligten zufriedenstellend gelöst" worden sei. Schürz selbst war zu alledem trotz mehrmaliger Anfragen zu keiner Stellungnahme bereit. (Renate Graber, 19.1.2023)