Jacinda Ardern am – vorläufigen – Ende ihrer politischen Karriere.

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Wenn man Jacinda Ardern mit nur einem Wort beschreiben müsste, dann wäre das wohl "kindness". Ihre große Kommunikations- und Führungsleistung war, dass sie es schaffte, zu führen und gleichzeitig authentisch zu bleiben. Aus der vermeintlichen Schwäche, eine Frau zu sein, hat sie eine Stärke gemacht, die letztlich ihren kometenhaften Aufstieg und die weltweite "Jacindamania" mitbegründete.

Kindness macht ihre Persönlichkeit und ihre Außenwirkung aus. In den Krisen, die Neuseeland in ihrer Amtszeit durchmachte, traf sie als Regierungschefin meist den richtigen, menschlich empathischen Ton, war ein verantwortungsbewusstes Vorbild für alle und wurde dafür geliebt und bewundert. Im selben Stil kündigte Ardern nun ihren Rücktritt an und begründete den Schritt mit der hohen Verantwortung, die mit dem Amt einhergehe. "Wir alle geben, solange wir geben können, und dann ist es vorbei." Ein gelungener Abschluss. Gehen, wenn es Zeit ist, nicht Sesselkleben bis zum Absturz. Trotzdem fragen sich auf der Insel viele Kommentatoren auch, warum Ardern nicht schon früher zurückgetreten ist.

Schlechte Umfragewerte

Dort ist sie nämlich längst nicht mehr so umjubelt. Ihre sozialdemokratische Labour-Partei holte zwar bei der letzten Wahl noch einen historischen Erdrutschsieg, doch in jüngsten Umfragen liegt sie hinter der konservativen National Party mit dem beliebten Ardern-Gegenspieler Christopher Luxon. Ardern zieht in Neuseeland nicht mehr so richtig.

Das liegt nicht nur an der Wirtschaftskrise und der Teuerungswelle, die nach Corona und mit dem Krieg in der Ukraine auch die Insel Neuseeland nicht verschonte. Ihre großen Vorhaben, nämlich die Wohnungsnot und die Kinderarmut zu reduzieren, sind gescheitert. Die Wirtschaft stöhnt unter hohen Kosten, die Situation der Maori-Minderheit hat sich ebenfalls nicht wesentlich verbessert. Das neuseeländische Gesundheitssystem ist seit der unvermeidbaren Abkehr vom Null-Covid-Ansatz stark überlastet. Zuerst gefeiert für ihre Corona-Politik, schlug ihr zuletzt deswegen viel Hass entgegen. Zugutehalten kann man ihrer Regierung zumindest, dass die Beschäftigungsrate in Neuseeland nach wie vor hoch ist. Auch eine Vereinbarungen über faire Löhne und Gehälter steht aus der Sicht der Beschäftigten auf der Plusseite.

Riskante Strategie

Ob Ardern mit ihrem Rücktritt ihrer Partei einen guten Dienst erwiesen hat, ist trotz aller nachvollziehbarer persönlicher und politischer Argumente allerdings fraglich. Ardern war immer noch die beste Hoffnung von Labour gegen die National Party. Sie hinterlässt ein Vakuum, das ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin nur schwer wird füllen können und das im Chaos enden könnte wie 2016 der Rücktritt des Konservativen Sir John Key. Er wollte einer neuen Generation Platz machen und stürzte seine Partei in eine Krise, von der sie sich gerade erst erholt. Ob die gleiche Strategie diesmal bei Labour aufgeht, entscheiden die Wählerinnen und Wähler im Herbst.

Ardern selbst wird das aus der Ferne verfolgen, eine Pause hat sie sich mehr als verdient. Ihr Verdienst: Sie ist in politisch und wirtschaftlich stürmischen Zeiten sich selbst treu geblieben, hat als Mensch regiert und ist als Mensch abgetreten. Das kann man selten von Regierenden sagen. (Manuela Honsig-Erlenburg, 19.1.2023)