Just am ersten Handelstag des Sportwagenbauers Porsche Ende September startete der deutsche Dax seine inzwischen unheimlich anmutende Kursrally.

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Nach nicht einmal drei Wochen im neuen Jahr wirkt die Trübsal des Vorjahres an Europas Börsen wie weggeblasen. Einen Kavalierstart hat besonders der deutsche Leitindex Dax auf das Börsenparkett gelegt, der seit dem Tief Ende September bereits etwa ein Fünftel zugelegt hat und dem nun nur noch acht Prozent auf sein Rekordhoch von Jänner 2021 fehlen. Ähnlich sieht es beim Eurostoxx-50 aus, denn auch andere europäische Aktienmärkte verzeichneten seit Jahresbeginn deutliche Zuwächse. Erst am Donnerstag erfolgte der erste empfindliche Rücksetzer in diesem Jahr.

Auslöser waren Äußerungen von EZB-Ratmitglied Klaas Knot über die Zinsentwicklung in der Eurozone. Der niederländische Notenbankchef stellte in Davos klar, dass die EZB von dem Kurs der Zinserhöhungen in den kommenden Monaten nicht abweichen werde. "Ich denke, dass wir mindestens noch bis zur Mitte des Jahres im Straffungsmodus sein werden", sagte Knot. "Den größten Teil des Weges, den wir zurücklegen müssen, werden wir in einem konstanten Tempo von mehreren Erhöhungen um 50 Basispunkte zurücklegen."

Falsch eingeschätzt

Dann ergänzte er, dass die Finanzmärkte die künftigen Zinserhöhungen möglicherweise nicht angemessen einschätzen würden – und sägte damit genau an einer jener Säulen, die die jüngste Kursrally an den europäischen Aktienmärkten getragen haben, nämlich der erwarteten Geldpolitik.

·Zinsentwicklung Wegen der tendenziell wieder nachlassenden Inflationsraten hofften viele Börsenprofis, dass die EZB von ihrem steilen Zinsstraffungskurs – sie hat den Leitzins seit Juli von null auf 2,5 Prozent gehievt – bald abrücken wird. Für die am 2. Februar anstehende Zinssitzung hatten zuletzt viele Investierende nur noch auf einen kleinen Zinsschritt gesetzt. Mit dieser Hoffnung dürfte Ratsmitglied Knot nun mit klaren Worten aufgeräumt haben.

Dahinter steckte die Überlegung, dass es die Notenbanken, Ähnliches gilt auch für das US-Pendant Fed, in weiterer Folge mit ihren Inflationszielen von zwei Prozent nicht so ernst nehmen. Sprich, die Teuerung, die laut EZB auch 2024 im Euroraum noch 3,4 Prozent betragen soll, könnte länger über dem Zielwert verharren, ohne dass die Währungshüter weiter auf die geldpolitische Bremse treten.

·Konjunktur Grundsätzlich blicken Aktienmärkte stets mehrere Monate in die Zukunft und verzeichnen die stärksten Kursverluste daher im Vorfeld einer erwarteten Rezession, um meist bei deren Eintreten schon wieder zu steigen. Wenn sich die Konjunkturaussichten aber wie zuletzt deutlich aufhellen – eine Rezession dürfte im Euroraum, sofern sie überhaupt eintritt, milder als erwartet ausfallen –, tritt auch wie derzeit ein entsprechend stärkerer positiver Kurseffekt ein.

Allerdings kommt an diesem Punkt wieder die Geldpolitik ins Spiel. Sollte diese nämlich restriktiver als erwartet bleiben, drosselt dies die mittelfristigen Konjunkturaussichten. Ein dynamischer Aufschwung wäre dann nicht in Sicht.

·Kapitalflüsse Auffallend ist die gleichzeitige Stärke des Euro, der seit September gegenüber dem US-Dollar fast 13 Prozent zugelegt hat. Es ist viel Kapital in die Eurozone geflossen, einiges auch in die Aktienmärkte, die der Wall Street davongezogen sind. Denn der S&P-500-Index liegt nur neun Prozent über seinem Vorjahrestief. An den US-Börsen dürften auch innenpolitische Turbulenzen und der Streit um die Schuldenobergrenze bremsen.

Sollte er eskalieren, würde dies auch Europas Börsen belasten. Mit ein Grund zur Vorsicht, auch wenn Dax und Co den steilen Abwärtstrend des Vorjahres nun offenbar verlassen haben. Deshalb müssen die Bäume aber nicht gleich in den Himmel wachsen. (Alexander Hahn, 20.1.2023)