Wale sind erstaunliche Lebewesen: Nach hunderten Millionen Jahren der Erdgeschichte, in denen riesige Tiere wie die Dinosaurier lebten, die zig Tonnen Gewicht auf die Waage brachten, ist das größte jemals auf Erden lebende Tier ein aktuell lebender Wal. Der Blauwal kann eine Länge von 30 Metern und ein Gewicht von 200 Tonnen erreichen. Blauwale live erleben zu dürfen ist für uns ein Glücksfall, gibt es sie doch erst seit einigen Millionen Jahren.


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Ein Taucher schwimmt mit einem Pottwal und zeigt eindrucksvoll den Größenunterschied.
Foto: Getty Images

Derartige Dimensionen sind für den Körper in verschiedener Hinsicht eine Herausforderung. Das Herz von Blauwalen kann bis zu einer Tonne wiegen, die Hauptschlagader hat einen Innendurchmesser von etwa 20 Zentimetern. Wie es überhaupt möglich ist, dass Tiere, die eigentlich entfernt mit Hirschen verwandt sind und sich vor etwa 50 Millionen Jahren aus Landtieren entwickelten, so groß werden können, und wie sie mit den Problemen des Riesenwuchses umgehen, hat sich nun ein Forschungsteam aus Brasilien um die Biologin Mariana Nery genauer angesehen und die Erkenntnisse darüber im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlicht.

Das Team untersuchte 19 Arten von Walen, darunter sieben, die mit einer Länge von über zehn Metern besonders groß werden, darunter Finnwale, Buckelwale und Blauwale.

Die Herzfrequenz von Blauwalen pendelt zwischen zwei Extremen. Während sie sich beim Auftauchen fast jener von Menschen annähert, schlägt das Herz beim Tauchen nur noch wenige Male pro Minute.
Stanford

Die Forschenden nutzten dabei die Tatsache aus, dass die Gene von Pferden, Schafen und Kühen, die mit den Walen verwandt sind, bereits seit vielen Jahren genau untersucht wurden. Man konzentrierte sich auf neun Gene, die bekanntermaßen mit dem Wachstum oder der Körpergröße in Verbindung stehen, und verglich die Walgene mit jenen ihrer Verwandten. Dabei zeigte sich, dass es durch Selektion Veränderungen in Bezug auf einige dieser Gene gegeben hatte, und zwar bei den Genen GHSR und IGFBP7 sowie in NCAPG und PLAG1.

Die Größe von Walen als Problem

Ihre Größe hat für die Wale einige Nachteile. So ist angesichts der vielen Körperzellen auch die Wahrscheinlichkeit von fehlerhaften Teilungen und damit verbundenen Krebserkrankungen erhöht. Doch in der Natur zeigen große Tiere in der Regel keine erhöhte Neigung zu Krebs, ein Paradoxon, für das derzeit mehrere Erklärungsversuche diskutiert werden. Auch Wale zeigen keine erhöhte Neigung zu Krebs. Hier könnten die nun nachgewiesenen Veränderungen im Zusammenhang mit dem Gen IGFBP7 eine Rolle spielen. Es gilt als Onco-Suppressor, der Prostata-, Brust- und Lungenkrebs unterdrückt.

Außerdem beobachtete das Team, dass ein bestimmtes mit dem Hautwachstum in Verbindung stehendes Gen namens EGF bei den größten Walen im Lauf der Evolution inaktiv wurde. EGF steht auch mit der Entwicklung von Zähnen in Verbindung, die bei vielen Walen, unter anderem dem Blauwal, bekanntermaßen fehlen.

Der Blauwal kann 200 Tonnen schwer werden und ist das größte bekannte Tier aller Zeiten.
Foto: imago images/Nature Picture Library

Die Forschungsgemeinschaft zeigt sich angesichts der Erkenntnisse noch abwartend. Michael McGowen, ein Biologe am Smithsoian National Museum of National History im US-amerikanischen Washington, D.C., betont, dass es sich noch nicht um die "definitive Antwort" auf den Riesenwuchs bei Walen handle, sondern eher um einen ersten Schritt. Nery gibt zu, dass es sich um ein kleines Stück in einem größeren Puzzle handelt, und will in einem weiteren Projekt die regulatorische DNA betrachten, die die nun identifizierten Gene beeinflusst, und letztlich die Genome ganzer Wale in einer umfassenden Studie untersuchen. (rkl, 21.1.2023)