Der katarische Arbeitsminister Marri soll seine Rede vor dem EU-Menschenrechtsausschuss von Ex-Parlamentarier Pier Antonio Panzeri geschrieben bekommen haben.

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Brüssel – Geheimtreffen in Hotelsuites, Geld unter Windeln, marokkanische Königsgünstlinge: Die Ermittlungsakten im Fall um die wegen Korruptionsverdachts in Untersuchungshaft sitzende ehemalige Vizepräsidentin des EU-Parlaments Eva Kaili geben Aufschluss darüber, wie das Netzwerk um den Ex-EU-Parlamentarier Pier Antonio Panzeri funktionierte. Dem deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel" liegen 1.300 Seiten aus den Unterlagen der belgischen Behörden vor, die es am Samstag in einem umfassenden Hintergrundbericht veröffentlichte.

Rekonstruiert wird darin unter anderem ein Geheimtreffen im Oktober zwischen Panzeri, Kailis Lebensgefährten Francesco Giorgi und Vertretern des Emirats Katar in einem Brüsseler Nobelhotel. Mit von der Partie: Ali bin Samikh Al Marri, als Arbeitsminister zuständig für die Zustände auf den katarischen Stadion-Baustellen, die unmittelbar vor dem Start der Fußball-Weltmeisterschaft für intensive Diskussionen sorgen.

Panzeri als Redenschreiber für den katarischen Arbeitsminister

Das Treffen habe als Vorbereitung für eine Sitzung des Unterausschusses für Menschenrechte gedient. Als das Meeting nach etwas mehr als einer Stunde beendet gewesen sei, soll Panzeris Tasche dicker gewirkt haben als vor dem Treffen, sollen Ermittler in den Unterlagen nach Auswertung von Überwachungskameras vermerkt haben.

Etwa ein Monat nach dem Treffen kommt es zu einer Besprechung zwischen Panzeri und Giorgi in Panzeris Wohnung, die die Ermittler abhören. Panzeri habe dabei eine Rede diktiert, die er für Marri für dessen Auftritt im Menschenrechtsausschuss drei Tage später geschrieben habe. Ebenso habe er Antworten auf mögliche kritische Fragen der Parlamentarier diktiert.

Während der Ausschusssitzung am 14. November habe Panzeri dann mit Giorgi telefoniert, der als parlamentarischer Assistent zugegen war, und sich über den Verlauf der Geschehnisse erkundigt. Auch habe er Anweisungen gegeben, wonach weitere Abgeordnete, die seinem Netzwerk angehören, sich zu Wort melden und Katar gegen kritische Bemerkungen verteidigen sollen. Auch die Ausschussvorsitzende Maria Arena gehörte zu Panzeris Vertrauten. Nach der Sitzung habe sie mit Panzeri telefoniert. Der habe Lob gespendet und betont, der katarische Arbeitsminister Marri sei mit der Sitzung zufrieden gewesen.

Katar als "Trittbrettfahrer", Marokkos Geheimdienst als treibende Kraft

Der "Spiegel"-Bericht bezeichnet Katar – und den westafrikanischen Staat Mauretanien – dennoch nur als "Trittbretfahrer". Anlass für die Ermittlungen seien vielmehr Untersuchungen gegen Marokko gewesen, insbesondere der marokkanische Auslandsgeheimdienst DGED unter Yassine Mansouri, ein Studienkollege des heutigen König Mohammed VI. Auch der marokkanische Botschafter in Polen habe bei Reisen nach Paris immer wieder Geld in Brüssel vorbeigebracht.

Geld, das unter anderem in der Wohnung von Eva Kaili und Francesco Giorgi lagerte, wo es Kaili am 9. Dezember, dem Tag der Razzien in Brüssel, unter Babyflaschen und Windel zu verstecken versucht. Ein Plan, der nicht aufgeht. Bis heute sitzen mehrere Verdächtige in Untersuchungshaft. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Pier Antonio Panzeri als Kronzeuge aussagen will. (red, 21.1.2023)