Revolutionsgarden auf die Terrorliste, fordern Aktivisten.

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In seiner oft etwas flapsigen Art versuchte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, Journalisten in Brüssel zu erklären, warum es rechtlich nicht möglich sei, die Iranischen Revolutionsgarden – oft abgekürzt als IRGC, Iranian Revolutionary Guard Corps – auf die EU-Liste von Terrororganisationen zu setzen: "Man kann nicht sagen, dass jemand ein Terrorist ist, weil man ihn nicht mag", sagte Borrell, der dafür kritisiert wird.

Richtig ist, was Borrell auch sagte: dass es dafür eine von einem Gerichtshof abgeklärte rechtliche Grundlage geben muss, die momentan so noch nicht vorhanden ist. In den Augen vieler Aktivisten und Aktivistinnen werden diese Regeln den Opfern der IRGC, des mächtigsten militärischen Apparats der Islamischen Republik, nicht gerecht. Die auch Pasdaran oder Sepah genannte Organisation (Sepah-e Pasdaran-e Enqelab-e Eslami, Armee der Wächter der Islamischen Revolution) spielt eine führende Rolle bei der Niederschlagung der Protestwelle im Iran seit Mitte September.

Die Listung der IRGC als Terrororganisation auf EU-Ebene ist demnach ein längeres Projekt. Aber am Dienstag verabschiedete der Rat ein neues Sanktionsset, dem anzusehen ist, dass es die Revolutionsgarden treffen soll. Insgesamt sind 18 Personen und 19 Organisationen inkludiert, unter Letzteren finden sich eine Reihe von "Operationsbasen" und IRGC-Regionalcorps, vor allem in Provinzen, in denen sie besonders brutal wüteten: darunter in den kurdischen Gebieten, in Sistan-Belutschistan, in dessen Hauptstadt Zahedan es bereits am 30. September 2022 einen "blutigen Freitag" unter sunnitischen Gläubigen gab, oder in Khuzistan.

Terrorisieren von Sportlern

Auf der Liste findet sich auch die "Zentralstelle für das Gebieten des Rechten und Verbieten des Verwerflichen" – dahinter steckt das Prinzip, auf dem die Moralpolizei beruht. Unter den Individuen wird Sportminister Hamid Sajjadi aufgeführt und zwar wegen Terrorisierens iranischer Athleten und Athletinnen. Dabei wird der Fall der Sportkletterin Elnaz Rekabi explizit genannt, die ohne Hijab bei den Asienmeisterschaften in Seoul antrat und dafür nach ihrer – vielleicht erzwungenen – Rückkehr in den Iran bestraft wurde.

Die unmittelbaren praktischen Auswirkungen sind dennoch erst einmal überschaubar: Die Sanktionierten können nicht mehr in die EU einreisen, ihre Vermögen werden eingefroren. Ob wirklich alles, was dazugehört, erfasst wird, ist eine andere Frage, Eigentumsverhältnisse sind nicht immer klar. Die Revolutionsgarden sind ein Riesenkonzern, ihre Unternehmen – und Sub- und Subsubunternehmen – machen Geschäfte in vielen wirtschaftlichen Bereichen.

Folgen für die Wirtschaft

Einzelne Politiker von EU-Mitgliedern, etwa Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock, sprechen sich dafür aus, dass die IRGC auf die Terrorliste gesetzt werden. Aus den oben genannten Gründen – der geschäftlichen Verzahnung der Revolutionsgarden in vielen Unternehmen, bei denen es nicht auf ersten Blick ersichtlich ist – ist anzunehmen, dass die europäische Wirtschaft davon nicht begeistert sein wird. Wo der Großunternehmer IRGC seine Finger im Spiel hat, ist schwer zu durchschauen.

Durch das Zusammenbrechen des Atomabkommens mit dem Iran, der scharfen US-Sanktionen unterliegt, sind die Geschäftsabwicklungen schwierig genug. In der Islamischen Republik sind trotz allem auch österreichische Firmen engagiert – etwa das im mittelbaren Eigentum des Landes Niederösterreich stehende Vorzeigeunternehmen Med Austron, das in Teheran ein Ionentherapiezentrum baut.

Teherans neue Sanktionsliste

Die EU hat ihre neuen Sanktionen in Koordination mit den USA und Großbritannien verhängt, sie wurden gleichzeitig tätig. So richtet sich Washington unter anderem gegen die IRGC Cooperative Foundation, ein "wirtschaftliches Konglomerat, das von hohen Offiziellen der IRGC errichtet wurde, um die Investitionen der Gruppe und ihre Präsenz in zahlreichen Sektoren der iranischen Wirtschaft zu managen".

Teheran hat als Reaktion seinerseits eine neue Sanktionsliste angekündigt. Die Isolation wächst, die Maßnahmen schmerzen. Es fällt auf, dass Außenminister Hossein Amirabdollahian zuletzt wiederholt den Abschluss eines neuen Atomabkommens aufs Tapet brachte. Das wäre – wenn Teheran bereit ist, die Bedingungen zu erfüllen – technisch möglich, ist aber politisch für westliche Staaten wohl nicht mehr argumentierbar.

Die USA demonstrieren Stärke und haben zu Wochenbeginn ihr bisher größtes gemeinsames Militärmanöver mit Israel im östlichen Mittelmeer begonnen. Allerdings ist das US-israelische Verhältnis angesichts der neuen rechtsreligiösen Regierung in Jerusalem auch nicht ungetrübt. (Gudrun Harrer, 24.1.2023)