Familienministerin Susanne Raab (links) und Justizministerin Alma Zadić haben am Mittwoch das Paket vorgestellt.

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Wien – Es gibt wohl kaum Straftaten, die Menschen derart erschaudern lassen, wie sexueller Missbrauch von Kindern. Es wird geschätzt, dass jedes fünfte Kind Formen der sexuellen Gewalt erlebt hat. Ein breiter Diskurs darüber findet aber meist erst dann statt, wenn grausame Einzelfälle in Verbindung mit bekannten Persönlichkeiten ans Licht kommen. Das zeigte der Fall des Schauspielers Florian Teichtmeister.

Was sein Fall sowie Missbrauchsfälle von einzelnen Pädagogen an Wiener Kindergärten offengelegt haben, sind die großen Löcher, die in Österreich beim Kindesschutz immer noch klaffen. Etwa dann, wenn es darum geht, Kindern bei Grenzüberschreitungen und sexueller Gewalt schnell zu helfen – und sie auch vorbeugend zu schützen. Ein Maßnahmenpaket der Regierung, das am Mittwoch vorgestellt wurde, soll diese Löcher nun schließen.

Es umfasst drei Bereiche: härtere Strafen für Täter, Prävention und einen verstärkten Opferschutz. Ebenso soll der Begriff "Kinderpornografie" bald Geschichte sein: Nicht nur sei der Begriff verharmlosend, "jeder, der sich das anschaut, nimmt auch in Kauf, dass Kinder vergewaltigt werden", sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Aber wie schauen die Maßnahmen konkret aus, und was sagen Expertinnen und Experten dazu?

VIDEO: "Hinter jeder Darstellung von Kindesmissbrauch steht ein Kind, das Opfer von sexueller Gewalt geworden ist", so Justizminister Alma Zadić am Mittwoch.
DER STANDARD

Höhere Strafen für Täter

Die Strafverschärfung für Täter ist jene Maßnahme, die sich bereits abzeichnete: Alle Parteien sprachen sich dafür aus, die Regierung verlangte "volle Härte für Täter". Nun ist vorgesehen, dass das Strafmaß bei allen Delikten erhöht wird. Wer Missbrauchsbilder von Kindern über 14 Jahren besitzt, dem drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe – zuvor war es ein Jahr. Bei Kindern unter 14 Jahren wird das Strafmaß von drei auf vier Jahre erhöht. Härtere Strafen drohen vor allem jenen, die Missbrauchsdarstellungen herstellen – nämlich bis zu fünf Jahre Haft. Zehn Jahre sind es bei jenen, die dies explizit zum Zweck der Verbreitung machen.

Dieses Strafmaß spiegle den "Unrechtgehalt wider", sagte Zadić. Doch Experten sind sich uneins: Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl ortet "Populismus" und verweist dabei auf Studien, wonach es keinen Zusammenhang zwischen Strafhöhe und Abschreckung gebe. Psychologin Hedwig Wölfl empfindet die Anhebung des Strafrahmens für die Deliktschwere hingegen als angemessen. Erfreut zeigt sich die Leiterin der Kinderschutzeinrichtung Die Möwe im STANDARD-Gespräch vor allem darüber, was in Sachen Prävention ansteht.

Mehr Schutz für Kinder

Ein großer Schritt seien hier die verpflichtenden Kinderschutzkonzepte, wie sie Organisationen seit langem fordern. Künftig müssen alle Schulen Österreichs – Bundesschulen und Pflichtschulen – solche vorweisen, wie das Bildungsministerium auf STANDARD-Nachfrage bestätigt. Damit soll das Risiko für Kinder minimiert und Lehrkräften ein Fahrplan an die Hand gegeben werden, wie sie verfahren sollen, wenn ein Verdachtsfall auftritt oder sich ein Kind an sie wendet.

Für Kindergärten, für die die Länder verantwortlich sind, oder auch Vereine sind diese nicht verpflichtend. Hier soll es ein Gütesiegel geben. "Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass Kindergärten und Vereine erfasst werden", sagt Wölfl. Allerdings sei positiv, dass man Vereine beim Erstellen von Konzepten unterstütze. Als weiterer Schritt müssten Förderungen an die Vorlage von Konzepten gekoppelt werden.

Weiters hat Türkis-Grün eine Aufklärungskampagne angekündigt. Diese soll Kindern vermitteln, dass "Übergriffe weder normal noch okay sind", sagte dazu die Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP). "Denn das stärkste Mittel der Täter ist immer noch die Scham der Missbrauchten." Darauf verweist auch Wölfl mit Blick auf die Strafen: Etliche Verfahren würden derzeit mangels Beweisen oder Aussagefähigkeit der Kinder eingestellt werden. Die Dunkelziffer bei Opfern von Kindesmissbrauch sei immens. "Eine Aufklärungskampagne ist daher sehr wichtig."

Unklar ist noch, ob es zu einer Verständigungspflicht kommt. Eine solche würde vorsehen, dass der Arbeitgeber oder ein Verein informiert würde, wenn von einem Mitarbeiter eine Gefahr für Kinder ausgeht. Hier prüft das Justizministerium derzeit die rechtlichen Möglichkeiten.

Unterstützung für Opfer

Für Opfer von sexueller Gewalt sieht das Paket den Ausbau der Nachbetreuung vor. Rund zwei Millionen Euro sind für Familienberatungsstellen vorgesehen. Weitere neun Millionen Euro sollen jährlich folgen. Darin enthalten sind auch Mittel für Therapieangebote für Täter im und nach dem Strafvollzug, wie die Regierung ankündigte.

Mehr Mittel sollen auch in den Ausbau bei der Aufklärung von Verbrechen fließen: Hierfür sollen Cyber-Ermittlungen in Landeskriminalämtern ausgebaut und Sonderbereiche geschaffen werden. Eine Softwarelösung soll zudem das Sichten von Missbrauchsmaterial erleichtern.

Wann genau all diese Vorhaben umgesetzt und in Kraft treten werden, ist noch unklar. Zadić rechnet mit einem konkreten Gesetzestext vor dem Sommer. Eine zeitnahe Umsetzung mahnt hier auch SOS-Kinderdorf ein, das die Vorhaben begrüßt. Dass es nicht nur Straferhöhungen gibt, sondern auch Maßnahmen für die Kinder und Opfer gesetzt werden, ist für Wölfl entscheidend: "Endlich gibt es den Mut der Regierung, sinnvolle Maßnahmen umzusetzen." (Elisa Tomaselli, 25.1.2023)