Am Ende schafft es sogar Heidis Freundin Klara aus dem Rollstuhl. Hurra!

Foto: Niedermair

Die Idylle hat Risse: Vater und Mutter sind tot, der Großvater ist ein mürrischer Einsiedler, und so plötzlich Heidi auf der Graubündner Alm an der Hand ihrer Tante Dete aufgetaucht ist, so schnell muss sie wieder fort – nach Frankfurt am Main, wo sie der im Rollstuhl sitzenden Klara Gesellschaft leisten soll. Viele Jahrzehnte nachdem die Schweizer Autorin Johanna Spyri ihre beiden Heidi-Bücher veröffentlicht hat, wäre ein solcher Stoff wohl zu einem Antiheimatroman verarbeitet worden, doch um 1880 lag über den Geschichten aus der Bergidylle noch ein romantisierender Schleier, zumal es sich bei der Erzählung von Heidi, dem Geissenpeter und dem Alpöhi ja um eine Kindergeschichte handelt.

Im Wiener Kabarett Niedermair nimmt sich jetzt das Team rund um Regisseurin Agnes Hausmann des in unzähligen Spielarten von Autoren und Filmemachern aufgegriffenen Stoffes an – für Kinder ab vier Jahren, was angesichts der eingesetzten theatralen Mittel doch etwas sehr früh angesetzt erscheint. Statt die Geschichte identifikatorisch zu erzählen, schlüpfen die drei Schauspieler Klemens Dellacher, Clara Diemling und J-D Schwarzmann nämlich immer wieder in andere Rollen, fallen aus diesen raus, erzählen, kommentieren oder spielen zur Seite. Das hat Witz und erfreut auch die Erwachsenen im Publikum.

Vor einer Stellwand wird aus dem ins Abendrot blinzelnden Großvater eine etwas trüb dreinschauende Klara im Blümchenkleid samt langen Zöpfen, setzt man zu einem dramaturgischen Sprung an, stimmt man einfach ein Liedchen an. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind auch die ganz jungen Zuschauer wieder bei der Sache und freuen sich über die Heimkehr Heidis zu Ziegenpeter und dem überglücklichen Großvater. (Stephan Hilpold, 26.1.2023)