Im Bundesrat verändern sich durch die Niederösterreich-Wahl die Kräfteverhältnisse. Das könnte der Bundesregierung das Leben erschweren.

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Die Niederösterreich-Wahl hat nicht nur die politischen Verhältnisse im Landtag gehörig verschoben, sondern auch in einer parlamentarischen Körperschaft, der sonst kaum Aufmerksamkeit genießt: dem Bundesrat. Durch den Urnengang vom Sonntag ergibt sich die nicht ganz alltägliche Konstellation, dass sich die Bundesregierung in der Länderkammer auf keine Mehrheit mehr verlassen kann. Doch warum kam es dazu? Und wie gravierend ist das für Türkis-Grün?

  • Neue Zusammensetzung

Der Bundesrat ist neben dem Nationalrat die zweite parlamentarische Kammer. Seine derzeit 61 Mitglieder werden nicht direkt gewählt, sondern von den Landtagen entsendet – weshalb sich die parteipolitische Zusammensetzung wie im aktuellen Fall durch Landtagswahlen ändern kann. Die Zahl der Mitglieder wird im Verhältnis zur Bevölkerungszahl der Bundesländer berechnet. Wobei das einwohnerreichste, also Niederösterreich, zwölf Mitglieder entsendet und die Untergrenze pro Bundesland bei drei Mitgliedern liegt.

Zuletzt kamen ÖVP und Grüne auf 31 Mandate, künftig sind es nur noch 30. Die ÖVP reduziert von 26 auf 24 Sitze. Grüne und FPÖ stocken um je ein Mandat auf sechs bzw. elf Sitze auf. Die SPÖ bleibt bei 19 Mandaten, die Neos bei einem.

  • Fallstrick Verzögerung

Relevant werden die neuen Mehrheitsverhältnisse bei der Gesetzgebung. Der Nationalrat muss dem Bundesrat sämtliche beschlossene Gesetze vorlegen. Der Gedanke dahinter: Die Interessen der Länder sollen in den legislativen Prozess einfließen. Der Bundesrat kann gegen Gesetzesvorlagen des Nationalrats ein aufschiebendes Veto dagegen einlegen – und diese damit quasi auf die Wartebank schicken.

Kommt es zu einem derartigen Einspruch, muss der Nationalrat zwar noch einmal über das Gesetz beraten, kann es dann aber in der ursprünglichen Fassung beschließen – weshalb der Bundesrat oft als zahnlos kritisiert wird. Für einen Einspruch hat er acht Wochen Zeit. Das bedeutet: SPÖ, FPÖ und Neos können durch ihre neue Mehrheit im Bundesrat türkis-grüne Gesetze künftig um zwei Monate verzögern und der Regierung so das Leben erschweren.

Diese Situation ist für Türkis-Grün nicht ganz neu: Erst die oberösterreichische Landtagswahl im Herbst 2021 bescherte ihr eine Mehrheit in der Länderkammer, diese konnte sie trotz der Verluste der ÖVP bei der Tirol-Wahl 2022 halten. In der aktuellen Gesetzgebungsperiode beschloss der Bundesrat laut Parlamentsdirektion siebenmal einen Einspruch, zum Beispiel bei mehreren Covid-19-Gesetzen, bei der Novelle des Bundesministeriengesetzes und beim Sozialversicherungsänderungsgesetz. In den vergangenen zehn Jahren geschah das bei insgesamt 2922 Gesetzen 33-mal. Der Nationalrat änderte daraufhin ein Gesetz, drei Entwürfe legte er ad acta. 29 Vorlagen wurden dennoch beschlossen.

  • Seltene Verhinderung

Abgesehen vom Einspruch muss der Bundesrat in einigen wenigen Fällen geplanten Gesetzen zustimmen – etwa wenn diese die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung einschränken würden. Hierfür braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Kommt keine derartige Mehrheit zustande, ist das Gesetz gescheitert.

Bisher gab es laut Parlamentsdirektion erst zwei Fälle, in denen der Bundesrat ein Gesetz endgültig verhindert hat. Erstmals geschah dies im Februar 2019, als die Länderkammer bei der Novelle zum Ökostromgesetz ihre Zustimmung verweigerte. Im Oktober 2019 tat sie das erneut, diesmal ging es um die Verankerung einer Schuldenbremse in der Bundesverfassung. Möglich war dies, weil die SPÖ-Bundesratsfraktion von April 2018 bis November 2019 21 Mitglieder der Länderkammer stellte und damit derartige Materien im Alleingang verhindern konnte. (rach, 30.1.2023)