Undurchdringliche Mienen, die Blicke fest auf Niederösterreich gerichtet: Nina Katlein (li.) und Pia Hierzegger in "Family Dinner".

Foto: Panda Lichtspiele

Der Siegeszug des heimischen Films wird immer deutlicher bemerkbar: Ein kleines Meisterwerk wie Peter Hengls Horrormovie Family Dinner macht nicht nur heimische Essgewohnheiten zum Thema. Das Werk ist eindrucksvoll fotografiert, es rückt die karge Schönheit Niederösterreichs formvollendet ästhetisch ins Bild. Kein einziger Plakatständer verstellt die Sicht auf flachgelegte Wälder und nebelgraue Wiesen. Der Schrecken ist auch so schon groß genug: Johanna Mikl-Leitners gramzerfurchte Miene (der Putin! die Teuerung!) weicht dem undurchdringlichen Antlitz der Schauspielerin Pia Hierzegger.

Schaurig schöne Erinnerungen steigen auf, an stille Babyboomer-Tage im grillenzirpenden Weinviertel. Man schrieb die reformorientierten 70er. Der damalige Landeshauptmann Andreas Maurer blies markerschütternd das Bassflügelhorn. Sein sozialdemokratischer Gegenspieler, ein Kreisky-Rivale namens Hans Czettel, war mehr dem Saitenspiel zugetan.

Damals bestand der "Horror" Niederösterreichs weniger im Kannibalismus als in seiner Unergründlichkeit. Die Fassadenfronten in den staubgrauen Durchzugsstraßen waren durchlöchert von russischen Gewehrkugeln, die Häuser trugen Pockennarben. Bäuerinnen hüteten stumm die Toreinfahrten. Lästigen Anfragen begegneten diese Proserpinas des niederösterreichischen Bauernbundes, indem sie Schwerhörigkeit mimten.

Gipfel der Angst

Mich dicken Buben stimmte ein solch abweisendes Klima verzagt. Den Gipfel der Angst erklomm ich aber nicht durch den Bauernbund, auch nicht durch die Bemühungen des heimischen Horrorfilms. Es war ausgerechnet eine Heinz-Conrads-Sendung (Guten Abend am Samstag), die mir eine Reihe schlafloser Nächte bescherte, samt Heulen und Zähneklappern. Es herrschte Fasching, ein niederösterreichischer Blasmusiker trötete fachkundig, als mit ohrenbetäubendem Krach eine Rauchbombe explodierte. Das Gesicht des Überraschung mimenden Witzboldes war daraufhin rabenschwarz.

Von diesem Schrecken habe ich mich, gerade mit Blick auf Niederösterreichs Schwarze, nie mehr ganz erholt. (Ronald Pohl, 1.2.2023)