Wiener Marktfrauen um 1910. Auch viele Wirtschaftsmigrantinnen sorgten dafür, dass die Stadt schon damals zum ersten Mal die Zwei-Millionen-Marke knackte.

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Als einstige Hauptstadt eines Vielvölkerreichs war Wien in seiner Geschichte eines nie: eine Stadt mit einer homogenen oder gar einsprachigen Bevölkerung. Wer – aus welchen Beweggründen auch immer – davon fantasiert, dem sei ein Blick in Geschichtsbücher und Datenbanken empfohlen.

DER STANDARD hilft hier gern aus. Vor allem vor 200 Jahren, ab 1820, nahm das Bevölkerungswachstum in Wien Fahrt auf. Um 1800 lebten noch rund 230.000 Menschen in der Stadt, und in weniger als 100 Jahren, nämlich um 1910, hatte man die Zwei-Millionen-Marke erstmals geknackt. Die Migrantinnen und Migranten von damals kamen vor allem aus den Ländern der Böhmischen Krone (heute neben Tschechien auch Teile Polens und Deutschlands), es waren Arbeiterinnen und Arbeiter, Menschen, die ein Handwerk erlernt hatten, Dienstbotinnen und Dienstboten, die halfen, Wien zu einer Millionenstadt zu machen.

Werte wie vor über hundert Jahren

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann man damit, alle zehn Jahre Volkszählungen abzuhalten. Vergleicht man die historischen Zahlen aus Andreas Weigls Publikation "Demographischer Wandel und Modernisierung in Wien, 1700 bis 1999" mit den aktuellen der Statistik Austria, kann man feststellen, dass die im Ausland geborenen Wienerinnen und Wiener schon immer stark vertreten waren. Die Daten wurden so verglichen, dass bis 1910 zu Österreich die heutigen Bundesländer in ihren damaligen Grenzen, nicht aber Areale der restlichen Monarchie (z. B. Ungarn oder Böhmen) gezählt werden.

So sind etwa 1856 nur 62,6 Prozent der in Wien Lebenden auch in Österreich geboren worden, 2022 waren es (ähnlich wie 1880 übrigens) 57,4 Prozent. Dazwischen gibt es ein sanftes Auf und Ab mit nur wenigen markanten Ausreißern. Etwa 1923, als 70,2 Prozent der Wiener Bevölkerung Geburtsorte in Österreich hatten, oder die bisherige Spitze 1934, als es 76,1 Prozent waren. Danach verringerte sich der Prozentsatz der in Österreich geborenen Wienerinnen und Wiener jahrzehntelang kaum merklich: 2004 waren es 74,4 Prozent, 2013 dann 69,9. Wien ist seit Jahrhunderten sehr bunt. (cms, mcmt, 2.2.2023)