Klimts mit Goldornamenten verzierte "Judith" von 1901 kann durchaus als Zitat bekannter Femme fatale-Darstellungen von Fernand Khnopff oder Franz von Stuck verstanden werden.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Rückblickend ist kaum zu glauben, wie sehr die Wiener Kunstszene der 1890er-Jahre als konservativ und wenig innovativ verschrien war. Kunstkritiker der damaligen Zeit echauffierten sich, wie wenig Aufmerksamkeit der internationalen modernen Kunst in der Hauptstadt zuteilwurde. Mit nur wenigen Ausnahmen kannte das Wiener Publikum den Impressionismus schlichtweg nicht.

Erst durch die Gründung der Wiener Secession 1897 und den so in den folgenden Jahren ermöglichten Ausstellungen öffneten sich auch Wiens Tore zur westeuropäischen Moderne – und stellte das Kunstverständnis völlig auf den Kopf.

Wie bedeutend die Rolle des Mitgründers, ersten Präsidenten der Secession und späteren Lieblingskünstlers Österreichs für diese Entwicklung war, verdeutlicht die Ausstellung Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse ... im Unteren Belvedere. Darin wird der Touristenmagnet Gustav Klimt in neuem Licht betrachtet und die Frage gestellt, welche internationalen Kollegen und vorherrschenden Kunststile Einfluss auf dessen Werk hatten.

Auch die schlanken Körper aus den bestickten Tafeln der schottischen Jugendstilkünstlerin Margaret Macdonald Mackintosh fließen augenscheinlich in Klimts formales Figurenrepertoire ein.
Foto: The Glasgow School of Art

Verführerische "Femme fatale"

Zugrunde liegt ein langjähriges Forschungsprojekt, das mit dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam umgesetzt wurde, wo die umfassende Schau bereits im Herbst 2022 zu sehen war. Ein ganzes Kuratorenteam rekonstruierte anhand historischer Ausstellungskataloge sowie Archivmaterial – der 1918 verstorbene Künstler hinterließ kaum Primärquellen – die Wege Klimts: Wo lernte er die Skulpturen von Auguste Rodin kennen? Welche Impulse gaben Vincent van Goghs Landschaften? Und wie stark ließ sich Klimt durch die Farbintensität bei Henri Matisse beeinflussen?

In direkter Gegenüberstellung macht sich die mit starken Leihgaben sowie Hauptwerken Klimts gespickte Präsentation daran, wichtige Inspirationsquellen anhand einzelner Beispiele zu erklären. Und zeichnet die Entwicklung seines dennoch eigenwilligen Stils nach.

Zu Beginn von Klimts "Goldener Periode" machten Werke von Symbolisten wie Fernand Khnopff oder Franz von Stuck starken Eindruck auf den Maler. So kann seine mit Goldornamenten verzierte Judith von 1901 durchaus als offensichtliches Zitat der Femme fatale seiner Kollegen verstanden werden. Von Stucks Die Sünde, in der der Vertreter der Münchner Secession eine Frau mit freiem Oberkörper und um den Hals gelegten Schlange darstellte, beeindruckte Klimt nachhaltig.

Eine wirkliche Sensation ist das nur äußerst selten gezeigte Gemälde "Wasserschlangen II" von Klimt – immerhin ist das Werk hierzulande nun nach fast 60 Jahren wieder öffentlich zu sehen.
Foto: Privatsammlung, courtesy of HomeArt

Sensations-Highlight

Zwar ergeben die Gegenüberstellungen, je näher man an Klimts Spätwerk rückt, weniger deutliche Ähnlichkeiten. Umso frappierender sind sie dafür direkt nach der Jahrhundertwende: So fließen die schlanken Körper aus den bestickten Tafeln der schottischen Jugendstilkünstlerin Margaret Macdonald Mackintosh sowie bei Jan Toorops Sphinx augenscheinlich in Klimts formales Figurenrepertoire ein. Die Gestalten wandeln sich wie in seinem ikonischen Beethovenfries zu symbolischen Bedeutungsträgerinnen aus Linien und Flächen.

In diese Figurentradition kann auch die wichtige Werkgruppe des Künstlers eingeordnet werden, zu der neben den Gemälden Irrlichter, Nixen (Silberfische) und Wasserschlangen I auch das überraschende Highlight der Ausstellung zählt: Wie berichtet, konnte das nur äußerst selten gezeigte Gemälde Wasserschlangen II doch noch für die Schau im Belvedere gewonnen werden. Aufgrund des hohen Versicherungswerts von 300 Millionen Dollar war die Teilnahme des 1904 geschaffenen Werks mit der bewegten NS-Kunstraub-Geschichte bis zuletzt nicht gesichert. Eine wirkliche Sensation – immerhin ist das Werk hierzulande nun nach fast 60 Jahren wieder öffentlich zu sehen.

Sowohl Vincent van Goghs pastose Landschaftsbilder als auch perspektivische Seeblicke von Paul Cézanne beeinflussten den Wiener Künstler. Hier Klimts "Allee zum Schloss Kammer" (1912).
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Expression und Farbe

Ein ganzes Kapitel nimmt auch die stilisierte Landschaft bei Klimt ein, die zu Beginn von pastelligen Seeimpressionen Monets und später von pastosen Baumreihen von Van Gogh beeinflusst wurde. Insbesondere in den schimmernden Wasseroberflächen und üppigen Blumenwiesen tobte sich Klimt aus.

Ein Grande Finale der Schau – die das Publikum mit fein nuancierten Infotexten an den Wänden sowie Recherchematerial füttert, ohne zu übertreiben – ist der Dialog zwischen Aktzeichnungen Klimts und expressiven Skulpturen von Rodin. Das Werk des Künstlers, mit dem er sich bei einem Wien-Besuch bestens verstand, studierte Klimt intensiv.

Mit "Das Mädchen mit grünen Augen" steht Matisse stellvertretend für einen wichtigen Impuls für Klimts Spätwerk: Nach seiner einzigen Paris-Reise 1909 beendete der Wiener seine "Goldene Periode" und integrierte kräftige Farbtöne in die nun freiere Malweise.
Foto: San Francisco Museum of Modern Art, bequest of Harriet Lane Levy

Mit seinem im Stil der Fauves gemalten Werk Das Mädchen mit grünen Augen steht Matisse stellvertretend für einen wichtigen Impuls für Klimts Spätwerk: Nach seiner einzigen Paris-Reise 1909 beendete der Wiener seine Gold-Phase und integrierte kräftige Farbtöne in die nun freiere Malweise. Im selben Jahr versammelte er in der Internationalen Kunstschau bedeutende Kunstschaffende des frühen 20. Jahrhunderts – und bot damals neuen Innovationen eine Bühne. (Katharina Rustler. 3.2.2023)