Die Schülerinnen und Schüler kamen morgens zur Schule, als das Transparent bereits entfernt worden war. Auch DER STANDARD erspart den jungen Menschen den Anblick der rassistischen Parole gerne.

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Der letzte Schultag eines Semesters ist normalerweise geprägt von Vorfreude auf die kommende freie Zeit. Bei jenem Wiener Gymnasium im zehnten Bezirk, das zuletzt wegen einer rassistischen – und historisch bizarren – Aussage des niederösterreichischen FPÖ-Politikers Gottfried Waldhäusl bekannt wurde, war der Freitag anders als sonst. Nicht nur Eltern, sondern auch TV-Teams warteten im Laufe des Tages vor der Schule.

Denn in der Nacht auf Freitag hatten Rechtsextreme das Schulhaus heimgesucht und ein rassistisches Transparent, das Waldhäusl recht gab, am Gebäude angebracht.

Die übliche Propaganda

Auf einem vor Ort sichergestellten Flugblatt ist die übliche Propaganda von rechtsradikalen, demokratiefeindlichen Gruppierungen wie den Identitären zu lesen: auch die Verschwörungstheorie vom "großen Austausch", die der Attentäter, der im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen getötet hat, genauso verbreitete wie der mit ihm korrespondierende Identitären-Frontmann Martin Sellner. Die Absender des Flugblattes nennen sich "patriotische Österreicher".

Auf Twitter teilten denselben Text sofort rechtsextreme Accounts und amtsbekannte Rechtsradikale aus dem Umfeld der Identitäten, deren Symbole seit Juli 2020 auf Grundlage des Symbolgesetzes verboten sind. Splittergruppen von ihnen sind etwa die sogenannten "Österreicher". Hinter den verschiedenen Accounts stecken oft dieselben Personen.

"Die rechtsextremen Identitären sind Geister, die Herbert Kickl rief", reagierte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf die Aktion, "sie haben jetzt gezeigt, dass sie auch vor der Einschüchterung von Kindern nicht zurückschrecken. Die rechtsextreme Aktion vor einer Wiener Schule heute früh verdeutlicht, dass es keine Hemmungen mehr gibt. Es wird ihnen dennoch nicht gelingen, durch ihre Parolen Hass zu schüren und unser demokratisches Zusammenleben zu gefährden."

Solidarischer Bürgermeister

Nach dem Zusammentreffen der Jugendlichen mit Waldhäusl im Puls-4-Studio, der meinte, ohne diese jungen Menschen, wäre "Wien, wie es war", hatte es im Laufe der Woche bereits Solidaritätsbekundungen für die sympathischen, eloquenten Jugendlichen gegeben: etwa einen Empfang der Klasse beim Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Rathaus und einen Besuch im Parlament, wohin sie die Grünen eingeladen hatten.

Nach der Aktion ist das Entsetzen noch größer. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sieht in einer Aussendung die "menschenverachtende Hetze von FPÖ-Landesrat Waldhäusl" als einen "Brandbeschleuniger", der die Sicherheit von Wiener Schülerinnen und Schülern gefährde, "rechtsextreme Stiefeltruppen tragen den von der FPÖ gesäten Hass auf die Straßen und machen selbst vor Schulen nicht mehr halt".

"Solche Angriffe dulden wir in Wien nicht und müssen Konsequenzen haben!", meldete sich Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr zum Vorfall zu Wort, dieser zeige "deutlich, welche Folgen die hetzerische und menschenverachtende Politik der FPÖ hat". Alle, die etwas zum Zusammenleben beitragen, hätten Platz in Wien, "menschenverachtende Rassisten" aber nicht, so Wiederkehr.

Staatsschutz ermittelt

"Diese Tat muss mit aller Härte verfolgt werden", fordert die grüne Jugendsprecherin Barbara Neßler, "es kann nicht sein, dass in Österreich Kinder bereits Angst haben müssen, in die Schule zu gehen."

"Wir nehmen die Sache sehr ernst", sagt auch der Sprecher der Landespolizeidirektion Wien, Markus Dittrich, zum STANDARD. Eine Sachverhaltsdarstellung sei bereits an die Staatsanwaltschaft Wien gegangen, aber auch das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ermittle bereits.

In der Schule war man am Freitag damit beschäftigt, die Sache intern und vor allem mit den Jugendlichen aufzuarbeiten. "Die Direktion ist im Haus unterwegs und wird hier eine Rede halten", hieß es auf Nachfrage. Die Pressestelle der Wiener Bildungsdirektion hilft, die Flut an Medienanfragen zu bewältigen, heißt es von der Stelle auf Nachfrage. Bleibt zu hoffen, dass sich alle in den Ferien von der menschenfeindlichen Aktion erholen können. (Colette M. Schmidt, 3.2.2023)