Vorweg zwei gute und eine schlechte Nachricht: Es ist noch Wasser im Neusiedler See. Der Wasserstand stieg sogar seit Mitte Oktober von 114,87 Meter über Adria auf aktuell 115,04 Meter. Allerdings: Seit 1965 war Anfang Februar noch nie so wenig Wasser im See wie jetzt. Auf den mittleren Wasserstand der vergangenen fast 60 Jahre fehlen rund 50, auf den Höchststand von 2015 mehr als 70 Zentimeter. Aus Sorge, der See könnte die Erwartungen des Tourismus nicht mehr erfüllen, laufen seit Monaten Arbeiten, die offiziell als solche zur Erhaltung des Sees gelten, auf Hochtouren.

Um fast 20 Zentimeter ist der Pegel des Neusiedler Sees seit Herbst gestiegen. Das ist zu noch wenig, um die Purbacher Bucht wieder ganz zu fluten.
Foto: Guido Gluschitsch

Der Kanalkopf in Purbach ist wie viele andere Häfen bereits ausgebaggert. Verschiedene Methoden wurden am See angewandt, um herauszufinden, welche sich auch künftig am besten eigenen wird – und welche Gerätschaften das Land Burgenland anschaffen solle. In Purbach wurde der Schlamm in Schläuche gepumpt, die feine Poren haben, aus welchen das Wasser wieder austreten und zurück in den See fließen kann.

Der Reiz des Sees ist noch da

Diese Schläuche liegen dort, wo früher Spaziergängerinnen auf Bänken und Liegen eine Pause machten und über die Purbacher Bucht auf den See hinausschauten, bevor sie durch den Schilfgürtel zurück in den Ort wanderten. Der Blick vom einst so romantische Ort hat trotz der Schläuche, des Schlamms und des Niedrigwassers wenig von seinem Reiz verloren. Selbst wenn hier aktuell auch noch zwei große Anhänger stehen.

In diesen Schläuchen setzt sich der vom Grund des Sees abgesaugte Schlamm ab – das Wasser kann über Poren wieder abfließen.
Foto: Guido Gluschitsch

Mit ihnen dürften die beiden Amphibien-Boote hergebracht worden sein, mit denen gerade das Schilf entlang des Kanals geschnitten wird, damit im Sommer die Segelboote wieder gut nach draußen kommen. Dazu muss aber auch noch der rund drei Kilometer lange Kanal ausgebaggert werden. Die Fahrrinne soll am Ende "eine Tiefe von 50 bis 70 Zentimetern haben", erklärt Purbachs Bürgermeister Harald Neumayer (SPÖ). Das würde reichen, um zumindest den meisten der Stammgäste im Hafen von Purbach den Segelsport zu ermöglichen.

Gemeinsame Anstrengungen

Das Pilotprojekt der Seemanagement GmbH am Kanalkopf soll Ende Februar abgeschlossen sein, erklärt Neumayer. Die Arbeiten im Kanal, mit denen die Gemeinde die Freizeitanlagen Purbach GmbH beauftragt hat, werden geschätzt 70.000 Euro kosten. Da ist jedoch eine allfällige Altschlammentsorgung noch nicht inkludiert.

Aktuell wird im Kanal von Purbach das Schilf geschnitten.
Foto: Guido Gluschitsch

Sollte die Wassertiefe im Frühsommer nicht zumindest die vom vergangenen Jahr erreichen, sagt Neumayer, "wäre dies für den Tourismus der Seegemeinden, durch die fehlenden Einnahmen, eine kleine Katastrophe".

Ebendiese versucht man durch den gemeinsamen Einsatz von Land und Gemeinden zu verhindern. Wobei man den sich selbst auferlegten Zeitplan nicht ganz schaffe, wie es scheint. Wegen der Dringlichkeit erklärte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), dass bis Jahresende 2022 eine Entscheidung über eine Zuleitung gefällt sei. Das dürfte noch nicht passiert sein. Auch wenn Delegationen fast regelmäßig nach Ungarn fahren, scheint man noch keine finale Einigung nach der Absichtserklärung erzielt zu haben. Rund um den See mauschelt man, dass es den Ungarn gar nicht mehr so wichtig sei, den Pegelstand des Sees zu heben, seit sie das Tourismusprojekt in Fertőrákos eingestampft haben.

Drei Kilometer lang ist der Schilfgürtel und damit der Weg zur Bucht und der Kanal in Purbach.
Foto: Guido Gluschitsch

Da eine Zuleitung von Wasser weder aus der Mosoni-Donau in Ungarn noch von den inzwischen angedachten Alternativen in Österreich innerhalb weniger Monate entstehen kann, denkt man bereits darüber nach, mit welchen Maßnahmen man den Seepegel bis dahin heben könnte. Landesrat Heinrich Dorner (SPÖ) sagte, dass man auch darüber nachdenke, in einem ersten Schritt einfach Grundwasser in den See zu pumpen. Das würde wohl den Konflikt mit Gemüse- und Getreidebauern im Seewinkel befeuern. Diese mussten sich im vergangenen Sommer viel Kritik gefallen lassen, weil sie im Hochsommer ihre Äcker bewässerten, während der Grundwasserspiegel bereits sehr niedrig war. "Man müsse mit der Landwirtschaftskammer reden", möglicherweise die Grundwassernutzung einschränken, und "das Bewässern bei 30 Grad im Juli werden wir verhindern", sagte Dorner Mitte Jänner.

Gut ein halber Meter fehlt dem Seepegel immer noch.
Foto: Guido Gluschitsch

Wenig begeistert von all den Maßnahmen am See sind die burgenländischen Grünen, die am 23. Februar eine Fachtagung veranstalten, "um die Wassersituation nicht nur des Neusiedler Sees, sondern der gesamten Region aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu besprechen".

See kein Tourismusmagnet mehr

Die Stoßrichtung kann man erahnen. Schicken die Grünen mit Alois Lang doch einen Experten vor, der einst für die Öffentlichkeitsarbeit und den Ökotourismus im Nationalpark Neusiedler See verantwortlich war. Er sieht die Bedeutung des Sees für den Tourismus differenzierter: "Die Bettenauslastung zeigt bereits seit über 20 Jahren, dass das Strandbad kaum touristische Bedeutung mehr hat." Das sei in den 1970er-Jahren noch ganz anders gewesen, aber "mittlerweile kommen die Gäste zum Radfahren, wegen des Naturerlebnisses, des Weins, des reichen Kulturangebots oder zum Ausspannen in die Therme".

Noch liegen – wegen des Winters – in Purbach nur vereinzelt Boote im Wasser. Die Gemeinde hofft, dass sich das im Frühjahr wieder ändern wird.
Foto: Guido Gluschitsch

Die Grünen rund um Regina Petrik erklären, dass "künstlich Wasser von der Donau in den See zu leiten sehr viele Ressourcen" verschlinge. Selbst unter optimalen Bedingungen würde der Wasserstand des Neusiedler Sees um nicht mehr als zehn Zentimeter pro Jahr erhöht werden. "Das verdunstet innerhalb einer Woche bei 40 Grad", erklärt darauf Lang. Die gemeinsame Forderung ist, "sich bereits jetzt auf die neuen Gegebenheiten einzustellen". (Guido Gluschitsch, 7.2.2023)