Technologiekonzerne wie Apple, Google und Facebook rittern um die besten Fachkräfte. Nicht immer gestaltet sich der Arbeitsalltag so glänzend, wie das Image suggeriert.
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Der vielzitierte Fachkräftemangel hat vielerorts dazu geführt, dass Firmen im starken Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte stehen. In der englischsprachigen Diskussion hat sich für diesen Umstand der martialische Ausdruck "War for Talents" (dt. Krieg um Talente) etabliert. Geführt wird der "Krieg" jedoch mit friedlichen Mitteln wie guten Gehältern, großzügigen Weiterbildungsmöglichkeiten und sonstigen Annehmlichkeiten. Wirtschaftsethikerinnen und -ethiker weisen zudem darauf hin, dass auch die Positionierung als sozial verantwortungsvolles und nachhaltig agierendes Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil darstelle.

Dafür gebe es in der Forschung einiges an Evidenz, es bedürfe aber gewisser Präzisierungen, meint Nils Kruse, Co-Leiter des Institute for Business Ethics and Sustainable Strategy (Ibes) an der FHWien der Wirtschaftskammer Wien. "Nachhaltigkeit ist ein Aspekt unter mehreren, warum Jobsuchende Unternehmen als attraktiver wahrnehmen. Davor liegen aber Gehalt und Arbeitsplatzsicherheit", meint er. Die Botschaft ist in der Wirtschaftswelt jedenfalls angekommen. Laut der Studie "Monitor Unternehmensengagement" der Bertelsmann-Stiftung ist die Bindung von Beschäftigten sogar die Hauptmotivation für Firmen, sich gesellschaftlich zu engagieren, gefolgt vom Ziel, die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen.

Es locken gutes Gehalt, ein schöner Arbeitsplatz, bunte Utensilien und ein Bekenntnis zur Diversität.
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Globale Unterschiede

Da ein Großteil der einschlägigen Studien aus den USA und Europa stammt, sind global gültige Aussagen schwer ableitbar. Diese Forschungslücke möchte Kruse folglich schließen. Er selbst hat einige Jahre in Südkorea gelebt und dort empirisch geforscht. Er untersuchte etwa, wie Diversitätsangebote von potenziellen Beschäftigten angenommen werden. Dafür hat er südkoreanischen Studierenden verschiedene Jobangebote vorgelegt, welche die Probanden nach Attraktivität bewerten sollten. Dabei teilten sich die Anzeigen einerseits in solche von südkoreanischen und internationalen Firmen und andererseits in solche, die Diversity-Maßnahmen umsetzen, und andere, die das nicht tun.

Es zeigte sich, dass alle Studierenden internationale Unternehmen geringfügig attraktiver fanden als inländische. Während allerdings die Studentinnen Unternehmen mit und ohne Diversitätsangebot gleich attraktiv bewerteten, sank bei ihren männlichen Kollegen die Zustimmung gegenüber jenen Firmen, die mit Diversität warben. "Das südkoreanische Wirtschaftsleben war lange Zeit von einer Diskriminierung gegenüber Frauen geprägt", erklärt Kruse. "Inzwischen sind aber mehr als die Hälfte der Universitätsabsolventen weiblich, und die Firmen müssen sich umstellen."

Zudem seien Studierende unter 30 häufig arbeitslos und der Druck auf sie, einen Posten zu finden, entsprechend groß. Das Resultat beantwortet eine in der Forschung noch wenig beachtete Frage. Nämlich, ob Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortlichkeit sich sogar negativ auf die Attraktivität von Unternehmen auswirken können. Das Ergebnis suggeriert, dass der explizite Einschluss einer Gruppe eine andere sogar abschrecken kann. "Man darf niemandem das Gefühl geben, ausgeschlossen zu sein", meint Kruse.

Glaubwürdigkeit wichtig

Es gibt indes einen weiteren Fallstrick. Die Intention des Unternehmens, sich nachhaltig zu präsentieren, kann auch dann nach hinten losgehen, wenn sein soziales Engagement unglaubwürdig scheint. Besonders deutlich zeige sich das bei der Krisenkommunikation in der Folge von Unternehmensskandalen, sagt Kruse. Wer hier Scheinheiligkeit statt Ehrlichkeit walten lasse, verspiele seine Glaubwürdigkeit und damit seine Attraktivität für potenzielle Beschäftigte nachhaltig.

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Auch Google wirft sich ins Rennen.
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Doch es kann noch schlimmer kommen: Im Rahmen einer empirischen Studie konnte Kruse zeigen, dass Beschäftigte von Firmen, die offen unmoralisch agieren, häufiger selbst Fehlverhalten an den Tag legen. Das Beispiel des Arbeitgebers macht offenbar Schule. "Unternehmen spielen ein gefährliches Spiel, wenn sie in ihrer Kommunikation nicht authentisch sind, gerade wenn es um ihre Corporate Social Responsibility (CSR) bei Themen wie Umwelt – Stichwort Greenwashing – und Diversität – Stichwort Rainbowwashing – geht", betont Kruse.

Für seine Forschung, die er unter anderem in seiner Dissertation "How Does Corporate Social Performance Affect (Prospective) Employees?" publizierte, wurde der Forscher kürzlich von der Industriellenvereinigung, der Katholischen Privat-Universität Linz und dem Forum Christlicher Führungskräfte mit dem Pater Johannes Schasching SJ-Preis ausgezeichnet (Raimund Lang, 17.2.2023)