Neubauwohnungen in Wien sind für Durchschnittsverdienende häufig nicht leistbar.

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Leistbares Wohnen ist momentan in aller Munde und ein hitziges Schlüsselthema politischer Diskussionen und Wahlkämpfe. Zwei Trends haben sich in den vergangenen Jahren deutlich abgezeichnet: Wien wächst. Und die Preise steigen. Zusammen haben diese Entwicklungen dazu beigetragen, dass Wohnen in der Hauptstadt immer teurer wird. Für viele Menschen und Familien machen die Wohnkosten bereits deutlich mehr aus, als die oft als Obergrenze der Leistbarkeit definierten 40 Prozent des Haushaltseinkommens.

Seit 2006 haben sich die Mietpreise in Wien (über alle Mietarten) um 57 Prozent verteuert, während der gemeinnützige Wohnbau stagnierte. Wir haben uns kürzlich fertiggestellte Bauprojekte sowie momentan verfügbare soziale und gemeinnützige Wohnungen in Wien angesehen und nach Leistbarkeit analysiert. Dabei fällt auf: Es ist teuer am Wiener Wohnungsmarkt.

Konzept mit Definitionsbedarf

Leistbarkeit ist generell ein recht subjektiver Begriff, der nicht eindeutig zu definieren ist. Für Wohnkosten nennen etwa Arbeiterkammer, Ökonomen und Konsumentenschutzverbände 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens als Leistbarkeitsgrenze.

In Zeiten stetig steigender Preise in so gut wie allen Bereichen ist die Debatte um leistbaren Wohnraum, ein menschliches Grundbedürfnis, wieder in den gesellschaftlichen und medialen Mittelpunkt gerückt. Es bahnt sich am Wohnmarkt ein sozialpolitisches Dilemma an, das einfach zusammengefasst lautet: Seit geraumer Zeit stagnierende Löhne treffen auf immer höhere Mietpreise für immer weniger Wohnraum für eine immer größere Bevölkerung.

In diesem Artikel wird neben der Leistbarkeit von Wohnungen für Durchschnittshaushaltseinkommen auch die Leistbarkeit für Singlehaushalte (die immerhin knapp 40 Prozent aller Wiener Haushalte ausmachen) sowie für armutsgefährdete Zweipersonenhaushalte (mehr als 20 Prozent der Wiener Bevölkerung mit Stand 2021) betrachtet. Angesichts dieser demografischen Fakten bedarf die Leistbarkeitsdebatte einer differenzierteren Betrachtung als lediglich einer Anlehnung an das Durchschnittshaushaltseinkommen.

Freifinanzierte Bauprojekte kaum mehr leistbar

Vor einigen Jahren noch ein zu vernachlässigender Prozentsatz der Wiener Wohnungen, machen freifinanzierte Wohnungen gegenwärtig bereits über 30 Prozent aus. Was auffällt, ist, dass viele von nationalen und internationalen Investoren neu errichtete Bauprojekte im oberen und im Luxussegment angesiedelt sind. Mietpreise von 20 Euro pro Quadratmeter sind hier keine Seltenheit.

Die Mieten stiegen in diesem Segment in den letzten 15 Jahren um knapp 150 Prozent. Bei der Betrachtung über 50 kürzlich fertiggestellter Projekte privater Bauträger zeichnen sich einige eindeutige und besorgniserregende Trends ab. So sind in den hier betrachteten Wohnungen Mieten nur noch für Mehrpersonenhaushalte leistbar, obwohl die Mehrheit der Objekte kleiner als 50 Quadratmeter ist.

Bei einem österreichweiten monatlichen Medianeinkommen von 1.966 Euro netto für Einpersonenhaushalte sind die meisten neuen Wohnungen für Alleinstehende unleistbar. Für armutsgefährdete Haushalte zeichnet sich ein ähnlich düsteres Bild ab: Die Mehrheit der untersuchten Wohnungen liegt für sie über der Leistbarkeitsgrenze.

Gemeinnütziges Wohnen – viel nachgefragt, wenig gebaut

Der soziale Wohnbau ist eine Errungenschaft, um die Wien weltweit beneidet wird. Etwa 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben entweder in Gemeindewohnungen oder in von gemeinnützigen Bauträgern errichteten Wohnungen. 45 Prozent des Wiener Wohnmarktes fallen unter die Kategorie gemeinnützig.

Doch auch hier hat sich vieles verändert. So gab es 2016 einen deutlichen Einbruch der Bautätigkeiten von gemeinnützigen Bauträgern. Die Erklärung der Bauträger lag in den steigenden Preisen für Baugrund sowie der Kostenexplosion für Materialien und Bautätigkeit. Durch die gestiegenen Kosten sind in Realität die Mieten in vielen eigentlich gemeinnützigen Wohnungen genauso hoch wie in freifinanzierten Objekten.

Dazu kommen die auch steigenden, oft nicht unerheblichen Eigenmittel. Nach einer Studie aus dem Jahr 2017 hat knapp die Hälfte der Österreicher weniger als 16.000 Euro privates Kapital zur Verfügung. Selbst gemeinnütziges Wohnen ist damit für viele Wiener Haushalte nicht erreichbar.

Die untenstehende Grafik zeigt anhand über 30 ausgewählter, momentan verfügbarer Genossenschaftswohnungen einen klaren Trend: Die neueren Objekte sind trotz Gemeinnützigkeit für Singlehaushalte und armutsgefährdete Haushalte kaum leistbar.

Bei den Gemeindewohnungen herrscht ebenfalls Mangel: Zwischen 2016 und 2020 wurden von Michael Ludwig 4.000 neue Gemeindewohnungen angekündigt. Bis jetzt wurde weniger als ein Viertel davon fertiggestellt. Im selben Zeitraum wuchs die Bevölkerung Wiens um etwa 114.000 Menschen. Ein demografischer Trend, der anhält, denn schon bald soll die Hauptstadt die Zweimillionenmarke überschreiten. Die Mieten im sozialen Wohnbau sind zwar nicht so eklatant gestiegen wie im freifinanzierten Segment, jedoch auch um über 20 Prozent seit 2007. Eine besorgniserregende Entwicklung angesichts der seit langem stagnierenden Reallöhne.

Verschärft wird die Situation auch durch Intransparenz bei der Belegung der Gemeindewohnungen. So wird meist nicht überprüft, ob etwa nach 20 Jahren Miete der Bedarf immer noch gegeben ist. Auch eine Anpassung an das tatsächliche (veränderte) Haushaltseinkommen wird vielerorts gefordert.

Schwer messbare Probleme am Wohnungsmarkt

Schätzungen über spekulativen Leerstand in der Bundeshauptstadt gestalten sich seit jeher schwierig. Zwischen 30.000 und 100.000 Wohnungen sollen leer stehen, die Gründe dafür reichen von Wertspekulation bis Altersvorsorge. Besonders in modernen, zentral gelegenen Neubauten bleiben viele Wohnungen dauerhaft unbewohnt. Zivilgesellschaftliche Akteure sowie manch politische Partei fordern seit geraumer Zeit Maßnahmen wie etwa eine Leerstandsabgabe gegen die Spekulation mit dem knappen Gut Wohnraum. Über Details und Effektivität ist man sich jedoch nicht einig.

Ein weiteres Problem des Wiener Wohnmarktes ist die zunehmende Beliebtheit der Stadt bei ausländischen Investoren. Milliardenschwere Investmentfirmen kaufen ganze Wohnblöcke, meist wird im exklusiven Segment gebaut. Betuchte Kunden aus aller Welt kaufen so Vorsorgewohnungen in europäischen Metropolen. Das Bauaufkommen dieser Investoren wird jedoch dem Gesamtbauaufkommen der Stadt zugerechnet und zeichnet so ein verzerrtes Bild des Wohnungsmarktes. Ein Grundbedürfnis ist hiermit zu einem renditenstarken Finanzprodukt geworden, und als Mieter konkurriert man längst nicht mehr nur mit anderen Stadtbewohnern, sondern mit einem globalen Markt. Für viele überraschend: Mit fast 19 Milliarden führen die USA die Liste der ausländischen Investoren an, an zweiter Stelle liegt Deutschland.

Die Debatte um leistbaren Wohnraum hat also verschiedene Facetten, die genauerer Betrachtung bedürfen. Allem voran muss die Definition von Leistbarkeit differenzierter diskutiert werden, da hinsichtlich der demografischen und sozioökonomischen Entwicklung Wiens eine vereinfachte Definition zu einer Verzerrung der Probleme führt. Politische Maßnahmen und Entwicklungen sollten aufgrund dieser Fakten und Daten erfolgen, nicht auf Grundlage vereinfachter Zahlen und Statistiken, die die Realität des Wiener Wohnungsmarktes und der Bevölkerung nicht reflektieren. (Lisa Duschek, 16.2.2023)