Jack und Rose in ihrer Pose für die Ewigkeit. Echten Sonnenuntergang ohne Computereffekte gab’s auf der Titanic damals auch noch.

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Based on a True Story – So sehr es schon ins Reich des Mythos gerückt ist, das Schiffsunglück der als unsinkbar gepriesenen RMS Titanic ist historische Tatsache und riss 1912 über 1500 Menschen in den Tod. Regisseur James Cameron war fasziniert von diesem Jahrhundertereignis. Die naturalistischen Bilder des Titanic-Malers Ken Marschall beflügelten Camerons Vorstellungskraft.

Doch ein historischer Katastrophenfilm war ihm zu wenig, deshalb die Liebesgeschichte. "Romeo und Julia auf der Titanic" war die Ausgangsidee, die Cameron den Studiobossen von 20th Century Fox vorschlug. Es funktionierte, so gut sogar, dass das Epos zu Ehren seines 25. Jahrestags digital aufgeputzt zurück auf die große Leinwand kommt.

Filmset – Im Golf von Mexiko wurde das Filmset der Titanic nahezu maßstabsgetreu aufgebaut: ein riesengroßes, bewegliches Schiffsgestell. Cameron beschreibt es als erhebendes Gefühl, während der morgendlichen Fahrten zu den Dreharbeiten die Titanic am Horizont zu erblicken. Auf dem Set gab es keine Statisten, die über 1,75 Meter groß waren. Denn mit zu großen Menschen wäre die teure Illusion zunichte gewesen. Heutzutage käme all das aus dem Computer.

Hände – Hunderte, zum Abschied des Schiffs emporgestreckt. Die Hände von Rose und Jack, die sich erst schüchtern zuwinken, sich dann berühren, sich ausbreiten zur epischen Titanic-Geste, vor Leidenschaft an die beschlagene Autoscheibe greifen, sich zeichnen, sich festhalten, sich loslassen, zittern, untergehen.

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Klasse – Die Armen im Unterdeck ertrinken, die Reichen vom Oberdeck überleben. Rose’ und Jacks Tragik ist, dass sie verschiedenen Klassen angehören. "Ich habe zehn Dollar in der Tasche, ich kann dir nichts bieten", sagt Jack zu Rose, in der leisen Hoffnung, dass der amerikanische Traum hier Abhilfe schafft. Doch am Ende wird Jack Opfer seiner Klasse und Ritterlichkeit. Er erfriert, während die Reichen die Rettungsboote besetzen und sich Rose in einem Akt der Liebe und Solidarität an die für ihn bestimmte Holztür klammert. Wäre sie doch nur im Rettungsboot geblieben.

My Heart Will Go On –Diese Ballade pickt im Ohr wie Ohrenschmalz. Celine Dion sang sie erst widerwillig, aber dann mit zarter Inbrunst und wurde zum Megastar. Über eine Milliarde Dollar warf der Song ab. Den Oscar dafür bekamen aber der Komponist James Horner und der Songtexter Will Jennings. Auch Falco hat ein Titanic-Lied geschrieben, mit der passenden Textzeile "Die Titanic sinkt in Panik". Der schaffte es aber wohl nicht bis zu Cameron. Gavin Bryars, ein englischer Kontrabassist und Komponist, ging es beseelter an. Er widmete dem Untergang der Titanic ein Album, in dem er die Melodie verwendete, die die Kapelle während des Schiffsbruchs spielte.

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Ozean – Unterwasserwelten begleiten und begeistern den Tiefseetaucher James Cameron seit eh und je. Abyss – Am Abgrund des Todes (1989) inspirierte ihn, tiefer in die Geheimnisse des Ozeans vorzudringen, sein neuester Film Avatar – The Way of the Water ist fantasievolles Unterwasserspektakel. Bei Titanic bleibt er an Bord historischer Tatsachen. Er selbst tauchte zwölfmal zum Schiffswrack und ließ diese Erfahrung auch in die Rahmenhandlung des Films einfließen. Keine Unterwasserwesen, kein Bermudadreieck, ein (selten gewordener) Eisberg war es, der das Schiff zum Sinken brachte.

Rose und Jack – Eigentlich geht es in Titanic um Rose. Gespielt wurde sie von der 19-jährigen Kate Winslet. Rose’ Emanzipation vom höheren Töchterchen zur liebenden und empathischen Frau war die perfekte Identifikationsfläche für junge Mädchen, Jack ist vor allem Katalysator. Aber einer zum Verlieben: Verkörpert vom damals 20-jährigen* Leonardo DiCaprio löste Titanic eine Teenie-Hysterie aus wie sonst nur die Backstreet Boys. Eigentlich hätte Johnny Depp die Figur spielen sollen, doch er lehnte – zu seinem späteren Bedauern – ab.

Auch in seiner Dokumentation "Ghosts Of The Abyss" von 2003 spürt Cameron dem Wrack der Titanic noch nach.
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Sekula – Der Fotograf Alan Sekula widmete dem Filmset in Mexiko die Fotoserie Titanic’s Wake. Darin legt er die Großbaustelle der Filmfantasie offen und versieht die Fotos mit Texten, die über die Rahmenbedingungen des Drehs informieren: die niedrigen Löhne für die mexikanischen Arbeiter, das riesige Süßwasserbecken, das errichtet wurde, während es in den umliegenden Dörfern kein fließendes Wasser gab. Das Süßwasser trat schließlich aus, veränderte den Salzgehalt des Meeres und bedrohte die Existenz der dort lebenden Fischer und Muschelsammlerinnen.

Überlebt? – Erst vor Kurzem hat National Geographic ein Experiment durchgeführt: Hätte Jack überleben können, wenn er zu Rose auf die schwimmende Tür gekrochen wäre? Das Ergebnis: Wahrscheinlich nicht, die Holztür hätte beide nicht tragen können. Nur Rose hat überlebt. Aus der Perspektive der 100-Jährigen (Gloria Stuart) wird Titanic erzählt.

Zahlen – Zwei Stunden und vierzig Minuten dauerte der Untergang der RMS Titanic, genau so lang wie Camerons Film abzüglich der Rahmenhandlung. Insgesamt sprengte der Film die heilige Dreistundenmarke, aber die drei Stunden verflogen wie im Wind. Titanic wurde zum Welterfolg und zum Schleusenöffner für weitaus zähere Überlänge-Epen. Mit 200 Millionen Euro war Titanic auch der teuerste Film des 20. Jahrhunderts, mit einem Erlös von fast zwei Milliarden Euro auch der erfolgreichste. Elf Oscars gewann er 1998, darunter: bester Film, beste Regie, beste Kamera, beste Musik, bestes Kostüm und viele, viele mehr. (Valerie Dirk, 11.2.2023)