Obwohl die Erde einem fortlaufenden Bombardement kleinerer und größerer Objekte aus dem Weltraum ausgesetzt ist, sind die Auswirkungen von Asteroideneinschlägen auf die Erdkruste und ihre Gesteine nur lückenhaft geklärt. Nun ist es erstmals einem Forschungsteam gelungen, gleichsam in Zeitlupe zu beobachten, was bei einem Impakt in dem getroffenen Material im Detail vor sich geht. Die Laboruntersuchungen in einer Hochdruckzelle enthüllten einen Zwischenzustand in dem untersuchten Quarz und lösten damit ein jahrzehntealtes Rätsel über die Entstehung spezieller Strukturen in dem Mineral.

Asteroideneinschläge sind katastrophale Ereignisse, bei denen oft riesige Krater entstehen und manchmal Teile des Erdgesteins aufgeschmolzen werden. "Dennoch sind Krater erdgeschichtlich oft schwer nachzuweisen, denn durch Erosion, Verwitterung und Plattentektonik verschwinden sie im Laufe von Jahrmillionen", sagte Falko Langenhorst von der Universität Jena. Daher dienen als Nachweis für einen Einschlag häufig Minerale, die durch die Wucht des Einschlags charakteristische Veränderungen erfahren.

Der Barringer-Krater in Arizona entstand vor rund 50.000 Jahren und wurde wahrscheinlich von einem kaum 50 Meter großen Eisenbrocken geschlagen.
Foto: APA/AFP/DANIEL SLIM

Lamellenartiges Glas

Beispielsweise wandelt sich der auf der Erdoberfläche allgegenwärtige Quarzsand, chemisch Siliziumdioxid (SiO2), durch so einen Einschlag schrittweise in Glas um. In den Quarzkörnern entstehen dabei mikroskopische kleine Lamellen. Diese Struktur lässt sich erst unter dem Elektronenmikroskop genauer erkunden und ist beispielsweise in Material aus dem relativ jungen Barringer-Krater in Arizona (USA) zu finden.

"Seit mehr als 60 Jahren dient dieses lamellenartige Glas als Indikator für einen Asteroideneinschlag, aber niemand wusste bisher, wie es überhaupt zu dieser Struktur kommt", sagte Hanns-Peter Liermann vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY. "Dieses jahrzehntealte Rätsel haben wir nun gelöst."

Die Forscher hatten dazu jahrelang Techniken weiterentwickelt, mit denen sich Materialien unter Hochdruck im Labor untersuchen lassen. Dazu wird die Probe in einer sogenannten Stempelzelle zwischen zwei kleinen Diamanten zusammengepresst. So lassen sich kontrolliert extreme Drücke wie im Erdinneren – oder wie bei einem Asteroideneinschlag – erzeugen.

Siliziumdioxid-Kristalle unter Druck

Für seine aktuellen Versuche verwendete das Team eine dynamische Diamantstempelzelle, in der sich der Druck während der Messung sehr schnell verändern lässt. Darin pressten die Forscher kleine Siliziumdioxid-Kristalle mit sehr regelmäßigem Kristallgitter immer stärker zusammen und durchleuchteten sie währenddessen mit dem intensiven Röntgenlicht der Röntgenlichtquelle PETRA III, um ihre innere Struktur zu erkunden.

"Die Kunst ist, den simulierten Asteroideneinschlag langsam genug ablaufen zu lassen, um ihn im Röntgenlicht verfolgen zu können, aber nicht zu langsam, sodass die für einen Asteroideneinschlag typischen Effekte noch entstehen können", sagte Liermann. Als richtige Zeitdauer erwiesen sich dabei Experimente im Sekundenmaßstab.

Durch einen simulierten Asteroideneinschlag entstehen in Quarzkristallen winzige Glaslamellen, die erst im Elektronenmikroskop sichtbar werden.
Foto: Universität Jena, Falko Langenhorst/Christoph Otzen

"Wir konnten beobachten, dass sich die Quarzstruktur bei einem Druck von ungefähr 180.000 Atmosphären plötzlich in eine enger gepackte Übergangsstruktur umwandelt, die wir Rosiait-artig nennen", erklärte Christoph Otzen (Uni Jena), Erstautor der im Fachjournal "Nature Communications" erschienenen Studie. Rosiait ist ein oxidisches Mineral, nach dem die auch bei anderen Materialien bekannte Kristallstruktur benannt worden ist. Es besteht nicht aus Siliziumdioxid, sondern ist ein sogenanntes Bleiantimonat (eine Verbindung aus Blei, Antimon und Sauerstoff).

Charakteristische Kollapsstrukturen

"In dieser Kristallstruktur schrumpft der Quarz um ein Drittel seines Volumens. Die charakteristischen Lamellen formen sich genau dort, wo der Quarz diese sogenannte metastabile Phase bildet, die vor uns noch niemand in Quarz hat identifizieren können", sagte Otzen.

Ließ der Druck wieder nach, wandelten sich sich die Lamellen jedoch nicht in die ursprüngliche Struktur von Quarz zurück, sondern sie kollabierten zu Glaslamellen mit ungeordneter Struktur. Diese Lamellen kennt man auch von Quarzkörnern aus Ablagerungen von Asteroideneinschlägen. Menge und Orientierung der Lamellen lassen dabei Rückschlüsse auf den Druck beim Einschlag zu, wie das Team berichtet.

Bedeutsam für die Materialforschung

Die Ergebnisse könnten über die Erforschung von Asteroideneinschlägen hinaus Bedeutung haben. "Was wir beobachtet haben, könnte eine Modellstudie für die Glasbildung auch ganz anderer Materialien wie beispielsweise Eis sein", sagte Langenhorst. "Eventuell ist es ein typischer Weg, dass eine Kristallstruktur sich bei schneller Kompression in einem Zwischenschritt in eine metastabile Phase umwandelt, die dann in die ungeordnete Glasstruktur übergeht. Auch das wollen wir weiter untersuchen, denn das wäre von großer Bedeutung für die Materialforschung." (red, 14.2.2023)