Schmidt war von 2001 bis 2011 CEO von Google und machte das Unternehmen dabei zu einem internationalen Großkonzern.

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Eric Schmidt ist wahrlich kein Unbekannter in der Techbranche. Von 2001 bis 2011 fungierte er als Chef von Google und half dem Unternehmen dabei, von einem Newcomer im Suchgeschäft zu einem riesigen IT-Konzern mit zahlreichen Tätigkeitsfeldern zu wachsen. Danach übergab er das Zepter an Co-Gründer Larry Page.

Er blieb Google und später Alphabet mit seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat treu, doch medial wurde es zunehmend still um Schmidt. Untätig geblieben ist er deswegen allerdings nicht, berichtet "Wired". Er arbeitet daran, das US-Militär mit künstlicher Intelligenz und anderen Technologien aufzurüsten.

Ernüchterndes Zeugnis für die Armee

Seine Initiative lässt sich auf das Jahr 2016 zurückführen. Damals war Schmidt noch Vorstandsvorsitzender von Alphabet und folgte einer Einladung des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama, das neu gegründete Defense Innovation Board zu leiten. Als Einführung in diese Rolle ließ sich Schmidt eine Reihe von Militärbasen und andere Installationen des Verteidigungsministeriums zeigen.

Mit dabei war damals auch Will Roper, damals als Verwaltungsassistent bei der Air Force tätig. Er gründete 2020 das Start-up Istari, für das Schmidt nun nicht nur als Investor tätig ist. Der Ex-Google-CEO soll dem Pentagon damals ein ernüchterndes Zeugnis ausgestellt und zahlreiche Mängel festgestellt haben. Laut Roper folgte man bei der Softwareentwicklung damals noch Arbeitsweisen, wie sie einst in den 1970ern und 80ern gängig waren. Die Verantwortlichen seien aber beeindruckt gewesen von Schmidts Bereitschaft, Lösungen zu finden.

Seine Vergangenheit bei Google und Alphabet bringt Schmidt wohl in eine einzigartige und jedenfalls gute Ausgangslage, um eine solche Mission in Angriff zu nehmen. Er kann sich in manchen Bereichen einen kompletten Neustart für das US-Militär vorstellen, ein schlechtes System, in dem aber viele talentierte Menschen arbeiten würden. Man müsse weg vom trägen Apparat, der aufgrund früherer Zeiten vor allem auf teils jahrzehntelange Entwicklungen wie Flugzeugträger fokussiert ist.

Vorbild Ukraine

Eine seiner Ideen ist die Gründung einer eigenen Techfirma, die sich auf das "Internet der Dinge" im militärischen Sinne fokussiert. Gemeint sind damit nützliche, billige und extrem mobile Geräte bzw. Drohnen, ausgestattet mit Waffen und miteinander vernetzt. Auch in Sachen Bürokratie müsse etwas geschehen, denn mitunter benötigt das Pentagon mehrere Jahre, um sich für eine Softwarelösung zu entscheiden, die zum Zeitpunkt ihrer Installation dann mehr oder weniger veraltet ist.

Als ein Beispiel für die Erneuerung könnte etwa das ukrainische Militär dienen, meint Schmidt. Hohe Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit waren es, die es in Verbindung mit Aufklärungsinformationen und Waffen aus dem Westen ermöglicht haben, dass man dem am Papier eigentlich übermächtigen, russischen Heer seit einem Jahr standhält.

"Stellen Sie sich vor, wir schreiben einen sechsmonatigen Wettbewerb für 100 Millionen Dollar aus, um das Problem der Ukraine zu lösen", so Schmidt zu Wired. "Und nach einem halben Jahr kommt jemand mit einem neuen Gerät, einem neuen Werkzeug oder einer neuen Methode, dank der die Ukraine gewinnt." Das, so der Manager, wäre illegal, weil die derzeitigen Beschaffungsregeln des Pentagon umfangreiche und entsprechend langwierige Begutachtungen vorsehen.

KI, das nächste große (Kriegs-)Ding

Besonders am Herzen liegt ihm allerdings KI. Immer wieder einmal wird eine Technologie entwickelt, die die Regeln ändert. Und so wie einst nukleare Waffen eine neue Ära globaler Machtprojektion einleiteten, so mächtig wird laut Schmidt auch die Kombination aus künstlicher Intelligenz und dezentralisierten Systemen sein. Eine Erwartungshaltung, die sich auch dank seiner Mithilfe in den letzten zehn Jahren im Verteidigungsministerium durchsetzen konnte. Von Kriegsgerät über Aufklärung bis in die Softwareentwicklung sollen selbstlernende, zunehmend autonome Systeme mithelfen, Konkurrenten wie China militärisch einen Schritt voraus zu bleiben.

Entwickelt wird KI aber fast ausschließlich von zivilen Unternehmen, reichend von IT-Riesen wie Google und Apple bis hin zu kleinen Start-ups. Das bedeutet eine neue Herausforderung für die US-Armee, die vorwiegend mit Großaufträgen für die Entwicklung von "Hardware" wie Kampfflugzeugen oder Panzern hat. Auch das bietet ein Betätigungsfeld für Leute mit dem Betätigungsprofil von Eric Schmidt, sagt dazu Paul Scharre, Vizechef des Thinktanks New American Security. Derzeit versuche man noch, das Militär des 21. Jahrhunderts mit der Bürokratie des 20. Jahrhunderts aufzubauen.

Schmidt stand auch der vom Kongress ins Leben gerufenen US National Security Commission on Artificial Intelligence vor. Und deren Abschlussbericht aus 2021 rief das Pentagon dazu auf, stärker mit dem privaten Sektor zusammen zu arbeiten und mehr Geldmittel, Daten und Computing-Ressourcen für staatliche und private KI-Projekte zur Verfügung zu stellen, um China die Stirn bieten zu können. "Wir haben es mit einer starken Herausforderung eines sehr fokussierten Widersachers zu tun, der weiß, was er tut", erklärte Schmidt Ende letzten Jahres. Er hat mittlerweile den Thinktank Special Competitive Studies Project ins Leben gerufen, dessen Mission es unter anderem ist, zur Verwirklichung der Kommissionsempfehlungen beizutragen.

Und die Politik bewegt sich. Mit Unterstützung beider Großparteien wurde etwa der Chips-Act gebilligt, in dessen Rahmen 280 Milliarden Dollar in die Entwicklung und Fertigung von Computerchips in den USA gesteckt werden sollen.

Metaverse statt Feldtests

Das Start-up Istari, benannt nach einer Gruppe aus fünf mächtigen Zauberern aus Tolkiens "Herr der Ringe", die Menschen und Elben im Kampf gegen Sauron unterstützen sollen, will der US-Armee die Vorzüge digitaler Zwillinge schmackhaft machen. Per Maschinenlernen trainierte KI soll originalgetreue, virtuelle Modelle von Kriegsgeräten im "Engineering Metaverse" erstellen – bis hin zu einzelnen Komponenten und ihren physikalischen Eigenschaften. Das soll es ermöglichen, viele Simulationen am Computer durchzuführen. Das wäre wesentlich schneller und billiger als reale Feldtests und verspricht die Beschleunigung von Entwicklungsprozessen.

Schmidt hält auch Anteile an Rebellion Defense, einem anderen Start-up, das für das Pentagon tätig ist. Dazu kommen verschiedene Investmentfirmen, über die er Verbindungen zur Regierung pflegt. Ursprünglich hatte der ehemalige Google-Chef gar nicht vor, sich langfristig mit dem Militär zu befassen, sondern war von einem vielleicht einjährigen Engagement ausgegangen. Mittlerweile hat er in dem Bereich eine zweite Karriere begonnen und wird wohl eine zentrale Rolle für die KI-Mission des Pentagon spielen. (gpi, 14.2.2023)