Die US-Luftwaffe hat Anfang Februar vor der Küste des Bundesstaates South Carolina einen chinesischen Ballon vom Himmel geholt.

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Das US-Militär hat die Trümmerteile des chinesischen Ballons geborgen, der am 4. Februar vor der Küste South Carolinas abgeschossen worden war. "Die Besatzungen konnten bedeutende Trümmerteile von der Absturzstelle bergen, darunter alle wichtigen Sensoren und Elektronikteile, die identifiziert wurden, sowie große Teile der Struktur", teilte das US-Militärkommando Nord am Montag mit. Auch Schlüsselsensoren, die vermutlich der Nachrichtengewinnung dienten, seien sichergestellt worden. Nach chinesischen Angaben handelt es sich bei dem Ballon um zivile Forschungsgeräte aus China.

Video: Laut dem Sprecher des US-Sicherheitsrates John Kirby kann derzeit noch nicht beurteilt werden, was die jüngst abgeschossenen Objekte sind. "Wir haben aus Vorsicht gehandelt, um unsere Sicherheit, unsere Interessen und unsere Flugsicherheit zu gewährleisten", so Kirby.
DER STANDARD

Keine Außerirdischen

Die USA werfen China vor, den Ballon zu Spionagezwecken gestartet haben. Das Weiße Haus stellte am Montagabend jedenfalls klar, dass es keine Außerirdischen am Werk sieht. "Ich weiß, dass es Fragen und Sorgen darüber gab, aber es gibt keinen Hinweis auf Außerirdische oder außerirdische Aktivitäten bei den kürzlich erfolgten Abschüssen", sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre. "Ich wollte sicherstellen, dass die Amerikaner das wissen."

Im Presseraum des Weißen Hauses sorgten die Äußerungen der Biden-Sprecherin für einige Lacher. Am Vortag war der für den nordamerikanischen Luftraum zuständige General Glen VanHerck gefragt worden, ob die Regierung sicher sein könne, dass es sich bei den Objekten nicht um Ufos von Außerirdischen handle. Er antwortete darauf mit "Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt nichts ausgeschlossen" – und befeuerte damit ungewollt wilde Spekulationen.

Karine Jean-Pierre beendet die Spekulationen um außerirdische Aktivitäten.

Mysteriöse Flugobjekte über Nordamerika geben den USA und der Welt seit Tagen Rätsel auf. US-Kampfjets hatten bereits am Freitag und Samstag zwei nicht näher identifizierte Flugobjekte abgeschossen: eines vor der Küste des US-Bundesstaats Alaska, das andere über dem Norden Kanadas. Bisher ist unklar, um was für Objekte genau es sich handelte, woher sie kamen und welches Ziel sie verfolgten.

Am Anfang der jüngsten Entwicklung stand ein mutmaßlich für Spionagezwecke eingesetzter chinesischer Ballon, den die US-Luftwaffe Anfang Februar vom Himmel geholt hatte.

USA weisen chinesische Vorwürfe zurück

Peking sprach von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei, und bezeichnete den Abschuss als "Überreaktion". Am Montag ging Peking weiter in die verbale Offensive. Demnach hätten die USA im Vorjahr selbst mehr als zehnmal illegal Ballons über China fliegen lassen. Sie sollten aufhören, andere zu beschuldigen und Konfrontation zu suchen, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin. Es komme ziemlich häufig vor, dass US-Ballons in großer Höhe über andere Länder flögen.

Die US-Regierung wies die Anschuldigungen zurück. "Das ist absolut nicht wahr", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Montag dem Sender MSNBC. "Wir lassen keine Ballons über China fliegen."

Die letzten Standorte der abgeschossenen Flugobjekte.

Ein Regierungsbeamter des US-Verbündeten Taiwan berichtete wiederum, dass Überflüge von chinesischen Ballons dort sehr häufig seien. Der letzte sei "erst vor ein paar Wochen" gekommen, zitierte die "Financial Times" den taiwanesischen Beamten. Nach Angaben des US-Militärs hat China eine ganze Flotte von Beobachtungsballons im Einsatz. Das Überwachungsprogramm erstrecke sich über mehr als 40 Länder auf fünf Kontinenten.

Mögliches Treffen?

Seit dem US-Abschuss des Ballons sind die Beziehungen zwischen den USA und China wieder angespannter. Es gab auch diplomatische Konsequenzen: US-Außenminister Antony Blinken hatte eine China-Reise nur wenige Stunden vor der Abreise abgesagt. Am Montag erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von mit der Angelegenheit vertrauten Personen, dass Blinken ein Treffen mit seinem chinesischen Konterpart Wang Yi am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz nächstes Wochenende erwäge. Bestätigt sei es aber nicht, hieß es.

USA-Experte Heinisch: "Situation ist verfahren"

USA-Experte Reinhard Heinisch meinte Montagabend in der "ZiB 2", dass es ob der Vielzahl der entdeckten chinesischen Ballone wahrscheinlich sei, dass die Amerikaner nun einfach genauer nachschauten. Die Absage der China-Reise von US-Außenminister Blinken aufgrund der Vorfälle bezeichnete der Professor der Universität Salzburg nicht als Überreaktion. Des Weiteren sprach Heinisch von enormem gegenseitigem Misstrauen. Es gebe eine Situation, in der die USA glaubten, dass Peking jede Schwäche der USA ausnütze. "Jetzt versucht man Stärke zu zeigen, wenn man jedoch Stärke zeigt, dann sieht Peking darin auch wieder einen Anlass zurückzuschlagen."

Politologe Reinhard Heinisch in der "ZiB 2" über die chinesischen-amerikanischen Beziehungen.
ORF

Das Verhältnis der beiden Länder bezeichnete der Politikwissenschafter in der ORF-Sendung als "relativ verfahren". Die Angelegenheit habe sich zu einem "Politikum" entwickelt. "Alle Großmächte spionieren sich aus. Man darf sich nicht erwischen lassen und den Gegner brüskieren", sagte Heinisch. Sonst sei dieser unter Zugzwang wie die USA.

Heinisch sieht mehrere Probleme in den Beziehungen der beiden Großmächte. Einerseits würden die USA empfinden, dass die chinesische Außenpolitik zunehmend nationalistisch werde. Gleichzeitig werde auch die US-Außenpolitik zunehmend von einer Radikalisierung in der Innenpolitik bestimmt. Zudem würden frühere Stabilitätsfaktoren wie der gemeinsame Handel langsam erodieren. Und China habe Konflikte mit Nachbarstaaten, die wiederum Verbündete der USA seien. Um diese Fronten zu klären, müsse man miteinander kommunizieren. "Und wenn diese Kommunikation nicht funktioniert, dann ist die Alternative natürlich eine Zunahme des Konfliktpotenzials", sagte der Experte abschließend. (APA, red, Reuters, 13.2.2023)