Der Molekularbiologe Martin Hetzer hat den Großteil seiner Forschungskarriere in den USA verbracht. Für die Leitung des Institute of Science and Technology ist er nun nach Österreich zurückgekehrt.
Foto: ISTA/Peter Rigaud

Als das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Maria Gugging im Jahr 2007 gegründet wurde, ist es zunächst von vielen als "Elite-Uni" verschmäht worden. Unter der Leitung des ersten Präsidenten Thomas Henzinger hat sich das Institut rasch zur Top-Forschungsinstitution gemausert. Bei prestigereichen Auszeichnungen wie den Förderungen des Europäischen Forschungsrats (ERC) führt das ISTA in den Statistiken, auch bei der Einwerbung privater Spenden ist das Institut sehr erfolgreich.

Nach 14 Jahren an der Spitze übergab der Informatiker Henzinger das ISTA Anfang Jänner an den Molekularbiologen Martin Hetzer, der sich unter 141 Bewerberinnen und Bewerbern durchsetzen konnte. Der gebürtige Wiener verbrachte den Großteil seiner wissenschaftlichen Karriere im Ausland, zuletzt als Professor und Vizepräsident am renommierten Salk Institute for Biological Studies in La Jolla, Kalifornien.

Hetzer übernimmt das Institut in Klosterneuburg mit einem klaren Wachstumspfad: Die Finanzierung bis zum Jahr 2036 ist bereits mit dem Bund und dem Land Niederösterreich fixiert: Mit einem Etat von über drei Milliarden Euro ist geplant, die Anzahl der Forschungsgruppen gegenüber dem bisherigen Stand zu verdoppeln.

STANDARD: Sie sind seit sechs Wochen Präsident des ISTA – wie ist Ihr erster Eindruck?

Hetzer: Die Energie und Leidenschaft für dieses Institut ist auf allen Ebenen spürbar. Ich habe inzwischen 40 Prozent der Professorinnen und Professoren getroffen, und ich habe alle nach drei Worten gefragt, mit denen sie das ISTA beschreiben würden. Da kamen durchwegs sehr positive Begriffe wie Leidenschaft, Glück, Offenheit und Freiheit.

STANDARD: Was hat Sie bewogen, ans ISTA zu kommen: War es eine Entscheidung für das Institut – oder wollten Sie vor allem zurück nach Österreich?

Hetzer: Meine Entscheidung hatte klar mit dem Institut zu tun. Ich wäre auch in ein anderes Land gegangen, wenn das ISTA dort wäre. Aber die Tatsache, dass das Institut in der Nähe meiner Geburtsstadt Wien ist und in Niederösterreich, wo ich aufgewachsen bin, ist wie das Tüpfelchen auf dem i. Das ist wirklich ein Glücksfall, den man so nicht planen kann. Ich habe die Entwicklung des ISTA mit Begeisterung aus den USA verfolgt, weil ich mir immer gewünscht habe, dass es so ein Institut in Österreich gibt. Dass ich nun die Möglichkeit habe, dieses Institut zu leiten, das ist für mich wie Ostern und Weihnachten zugleich.

STANDARD: Ihr Vorgänger Thomas Henzinger hat einen für Österreich ungewöhnlichen Weg beschritten: Die Berufungen erfolgten nicht basierend auf Forschungsbereichen, sondern nur aufgrund der wissenschaftlichen Exzellenz der Personen. Wollen Sie diesen Weg fortsetzen oder stärker inhaltliche Richtungen vorgeben?

Hetzer: Wir werden die Rekrutierungen weiterhin in dieser Weise fortsetzen, dass wir die besten Leute der Welt finden wollen. Ich glaube aber auch, dass wir jetzt nach der ersten Wachstumsphase in einer Situation sind, wo wir uns darüber Gedanken machen können, wie die einzelnen Wissenschaftsbereiche miteinander Synergien bilden können. Es gibt viele soziale Themen, vor denen unsere Gesellschaft steht, wie Klima oder das Altern – hier kann das ISTA eine Rolle einnehmen. Wichtig ist für mich auch, dass wir nicht in Disziplinen abrutschen, wie viele andere Institutionen. Vor allem möchte ich junge Leute anziehen, die Wert darauf legen, dass sie die Freiheit haben, über ihre Grenzen hinaus zu forschen.

STANDARD: Wann werden Sie Ihre Pläne für das Institute of Science and Technology Austria für die kommenden Jahre präsentieren?

Hetzer: Den ersten Schritt dazu werde ich bei meiner Inauguration im April setzen. Zunächst finde ich es wichtig, alle hier zu treffen und die Einzigartigkeit, wie das ISTA funktioniert, zu verstehen. Ich möchte die kulturellen, persönlichen und geschichtlichen Bedingungen des Instituts besser kennenlernen, bevor wir die nächsten Schritte setzen. Offensichtlich ist vieles gut gelaufen, das Institut ist jetzt schon ein großer Erfolg, und ich bringe einen frischen Blick hinein, durch den das Institut weiter wachsen wird. Wir werden uns in den kommenden 14 Jahren verdoppeln: Bis zum Jahr 2036 werden wir von 75 Forschungsgruppen jetzt auf 150 Gruppen aufstocken. Die Summe von 3,28 Milliarden Euro für die zweite Wachstumsphase wird von Bund und Land gefördert.

STANDARD: Welche persönlichen Kontakte hatten Sie in der Vergangenheit zum ISTA?

Hetzer: Mein Vorgänger Thomas Henziger ist sehr kurz nach Institutsgründung auf Besuch in die USA gekommen – er hat sich viele Institute weltweit angesehen, um Dinge aufzuspüren, die anderswo funktionieren. Da haben wir uns kennengelernt. Mich hat dieser Ansatz beeindruckt, ich habe mir aber auch gedacht: Da bin ich gespannt, was sie wirklich umsetzen können. Als ich das ISTA aus der Ferne beobachtet habe und es später auch besucht habe, war ich Feuer und Flamme zu sehen, wie es sich entwickelt.

STANDARD: Sie werden in Ihrer neuen Funktion auch viele organisatorische Aufgaben übernehmen. Bleibt Ihnen da noch Zeit für die Forschung?

Hetzer: Ja, international ist es sehr üblich, dass Präsidentinnen und Präsidenten von Instituten selbst weiter forschen. Aber natürlich muss man dieser Doppelrolle gerecht werden. Ich habe das Glück, dass ich sehr talentierte und erfahrene Leute in meinem Labor habe, von denen einige mit mir aus Kalifornien nach Österreich gekommen sind. Ich glaube, es hat sehr viele Vorteile, wenn man als Präsident auch aktiv in der Forschung verankert bleibt: Ich muss mich dann wie alle am ISTA um Forschungsgelder, um die besten Gruppenmitglieder und um Publikationen bemühen. Das gibt mir eine gewisse Glaubwürdigkeit gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen. Und nicht zuletzt bin ich ein leidenschaftlicher Wissenschafter und habe Spaß an der Forschung.

STANDARD: Welche Forschungsfragen werden Sie mit Ihrer Gruppe am ISTA bearbeiten?

Hetzer: Ich will mich auf eine Fragestellung konzentrieren, die meiner Meinung nach noch nicht genügend erforscht ist. Es geht um die Frage, wie es ein erwachsener Organismus weiter schafft, gesund zu bleiben. Warum ist es so, dass wenn wir älter werden, Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Diabetes viel wahrscheinlicher werden? Im Speziellen konzentrieren wir uns auf Organe, die eine sehr geringe Zellregeneration haben. Das ist zum Beispiel das Gehirn: Alle unsere Nervenzellen sind so alt wie wir. Wir fokussieren uns auf die Erhaltungsmechanismen und Reparaturmechanismen und hoffen, durch ein besseres Verständnis auch den altersbedingten Verlust von Funktionen besser zu verstehen und vielleicht sogar irgendwann verzögern zu können. (Tanja Traxler, 14.2.2023)