MA 20 / Christian Fürthner

In den 17 Wohnungen des Gebäudes in der Wiener Huttengasse gleich bei der U-Bahnstation Ottakring wird seit Herbst 2021 nicht mehr mit Gas geheizt. Die Gasthermen wurden abgebaut. Stattdessen befindet sich nun ein Wärmepumpensystem auf dem Dach, Heizwasserleitungen führen über die Außenfassade in den ehemaligen Hobbyraum des Hauses, der in eine Heizzentrale umfunktioniert wurde. Oder anders gesagt: Das Gebäude wurde von fossiler auf erneuerbare Raumwärme umgestellt. Laut der gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Wien-Nordwest machten die Umbaukosten etwas mehr als 400.000 Euro aus, vom Wiener Wohnfonds wurde das Vorhaben mit 85.000 Euro gefördert. Der Umstieg beim Heizsystem selbst dauerte nur drei Tage, die Arbeiten im Gebäude waren in knapp vier Monaten erledigt.

Auf dem Dach des Gebäudes in der Huttengasse befinden sich zwei Luftwärmepumpen.
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Für die Stadt Wien stellt das Genossenschaftsgebäude in der Huttengasse ein kleines Vorzeigeprojekt dar. Immerhin will die Stadt bis 2040 klimaneutral werden. Und das bedeutet, dass nicht nur 17, sondern 580.000 Gasthermen sowie 460.000 Kochgasgeräte in Wiener Gebäuden umgerüstet werden müssen. Es ist ein immenser Kraftakt, der da unter dem Motto "Raus aus Gas" in vergleichsweise wenigen Jahren zu stemmen ist, nicht zuletzt auch finanziell: Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) beziffert die geschätzten Kosten für die Umrüstung bis 2040 auf nicht weniger als 30 Milliarden Euro – wovon etwa zehn Milliarden Euro über Förderungen gedeckt sein sollen.

Die Umbaukosten des Heizsystems weg von Gas machten im Gebäude in der Huttengasse etwas mehr als 400.000 Euro aus.
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Massiver Ausbau des Fernwärmenetzes geplant

Einen großen Plan für die Umrüstung hat die Stadt Wien noch nicht. Das Vorhaben für die Mammutaufgabe sieht aber grob umrissen so aus: Dicht verbaute Stadtgebiete sollen zu einem großen Teil an Fernwärme angeschlossen werden – auch viele Bereiche, die aktuell noch nicht an das Netz angebunden sind.

Ein "Wiener Wärmeplan", der die Möglichkeit eines Fernwärmeanschlusses in den nächsten Jahren zeigt, soll bis Ende 2023 vorliegen. Nur als Beispiel: Auch die Gumpendorfer Straße soll in den kommenden Jahren an die Fernwärme angeschlossen werden. Der kostspielige Ausbau des Fernwärmenetzes ist übrigens nicht in den oben genannten 30 Milliarden Euro Umrüstungskosten inkludiert, wie Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ausführt. Auch hier wird mit zusätzlichen Kosten von mehreren Milliarden Euro gerechnet. Genaue Summen wurden von der Stadt noch nicht genannt.

In jenen städtischen Regionen, wo Fernwärme keine Option ist, sollen lokale Wärmenetze oder individuelle erneuerbare Energielösungen zum Einsatz kommen – wie eben jene in der Huttengasse.

Die Crux an der Causa: Fernwärme wird in Wien derzeit zu mehr als 50 Prozent aus Erdgas erzeugt. Auch hier braucht es eine völlige Dekarbonisierung, will man die Klimaziele bis 2040 erreichen. Die Stadt setzt hier einerseits auf Tiefengeothermie: Eine entsprechende erste Anlage entsteht in der Seestadt Aspern und soll ab 2026 rund 20.000 Haushalte versorgen. Auch Großwärmepumpen sind ein Thema, dazu kommen Müllverbrennungsanlagen. Gebraucht werden weiterhin auch Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen: Diese sollen künftig aber mit Biogas betrieben werden.

In weniger dicht verbauten Gebieten, wo das Fernwärmenetz nicht hingeführt werden kann, sind individuelle Lösungen beim Ausstieg aus Gas gefragt.
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100 Vorzeigeprojekte bis zum Jahr 2025

Um den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen zu schaffen, braucht es viele Anreize wie signifikante finanzielle Förderungen, aber auch engagierte Gebäudeeigentümer. Um zu zeigen, welche innovativen Vorhaben rund um den Ausstieg aus Gas in Gebäuden möglich sind, will die Stadt Wien 100 Projekte bis zum Jahr 2025 als Anschauungsbeispiele sammeln. Aktuell finden sich 13 umgesetzte Projekte – wie das Haus in der Huttengasse – auf der Liste: In der Morizgasse wurde etwa ein sanierter Altbau mit Erdwärmesonden ausgestattet, in der Wißgrillgasse ein Gründerzeithaus auf Biomasseheizung umgerüstet. Weitere sechs Projekte sind in Fertigstellung oder Umsetzung.

Finanzstadtrat Peter Hanke, Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál und Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (alle SPÖ) wollen bis zum Jahr 2025 eine Liste von 100 Vorzeigeprojekten sammeln.
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Mehr Tempo auch bei thermischer Sanierung notwendig

Um die Dekarbonisierungsziele zu schaffen, ist aber ein viel schnelleres Tempo notwendig. Noch fehlen freilich wichtige rechtliche Rahmenbedingungen: Czernohorszky pochte erneut auf die Umsetzung des angekündigten Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes durch den Bund. Vor der technischen Umrüstung sei aber auch eine thermische Sanierung von Gebäuden wichtig, sagte Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál. Das Förderbudget in Wien wird von 30 auf 60 Millionen Euro aufgestockt.

Für Roman Weigl vom Ingenieurbüro Rew Consulting, das die Umrüstung im Haus in der Huttengasse geplant hat, braucht es beim Thema Sanierung aber noch mehr Mittel. Aktuell gebe es in Wien nur eine Sanierungsquote von rund einem Prozent pro Jahr. "Das bedeutet, es braucht 100 Jahre, um alle Projekte zu sanieren", sagte Weigl. Alles unter einer Sanierungsquote von vier Prozent sei zu wenig, meinte Weigl. Hier ist auch die Stadt zusätzlich gefordert. (David Krutzler, 16.2.2023)