Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon ist zurückgetreten.
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Die Rede, mit der die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon am Mittwoch ihren Rücktritt vom Staatsamt und vom Vorsitz der Nationalpartei SNP ankündigte, war ein Musterbeispiel jener emotionalen Intelligenz, die Sturgeon zu einer herausragenden Politikerin gemacht hat.

Die ungewöhnliche Fähigkeit zur politischen Kommunikation trat vor allem in zwei Krisenmomenten zutage. Nach dem Brexit-Referendum 2016 war sie die Erste, die jenen 48 Prozent der Briten – und 62 Prozent der Schotten – Mut zusprach, die weiterhin zur EU gehören wollten. In der Covid-Pandemie bildeten ihre Auftritte einen wohltuenden Kontrast zum Londoner Tohuwabohu. Sturgeon hat immer zäh um Zugeständnisse für ihre Nation gekämpft. Die SNP eilte unter ihrer Führung von Wahlsieg zu Wahlsieg.

Geschlossenheit bröckelt

Allerdings mehren sich die Krisenzeichen. Eindringlicher mahnen die Schotten Fortschritte in der Bildungs-, Gesundheits- und Energiepolitik ein. Immer nur auf die Versäumnisse der Londoner Zentralregierung zu verweisen reicht nicht mehr. Gleichzeitig verzetteln sich die Unabhängigkeitsaktivisten in Debatten über den besten Weg zu ihrem ersehnten Ziel. Die Geschlossenheit der jahrelang mit eiserner Härte geführten Partei bröckelt.

Insofern hat die Glasgower Anwältin den Zeitpunkt ihres Rückzugs für sich klug gewählt. Ihr Haus aber hat sie nicht bestellt. Wer ihr nachfolgt, tritt ein schweres Erbe an. (Sebastian Borger, 15.2.2023)