Im Universum passt einiges nicht zusammen. Galaxien rotieren zu schnell, das Universum dehnt sich immer weiter aus, statt wie erwartet irgendwann in sich zusammenzufallen – und wie schnell eigentlich? Auch darüber gibt es völlig unterschiedliche Angaben.

Das größte dieser Rätsel ist vermutlich die beschleunigte Ausdehnung des Universums, die derzeit durch das Vorhandensein einer bisher unbekannten Dunklen Energie erklärt wird. Sie wirkt als Gegenpol zur Masse im Universum und treibt die Ausdehnung voran. Diese unsichtbare "Substanz" macht laut den aktuellen Modellen sogar den überwiegenden Großteil der Energie im Universum aus, über 70 Prozent – allein, unsere Teleskope sehen sie nicht. Niemand kann derzeit mit Sicherheit sagen, welche unbekannten physikalischen Effekte dafür verantwortlich sind.

Supermassive Schwarze Löcher sorgen als Quasare für extreme Energieausbrüche, die tief ins All reichen. In ihrem Inneren könnten sie laut Meinung mancher Forschender das Geheimnis für Dunkle Energie verbergen.
Foto: imago images/ZUMA Wire

Ein Forschungsteam rund um Duncan Farrah von der Universität Hawaii hat nun vorgeschlagen, eine Brücke zwischen zwei unerklärlichen kosmischen Effekten zu schlagen und im Fachjournal "The Astrophysical Journal Letters" die Idee veröffentlicht, Dunkle Energie könnte sich im Zentrum Schwarzer Löcher verbergen.

Zu große Schwarze Löcher

Das mutet auf den ersten Blick paradox an, sind Schwarze Löcher doch jene Objekte im Universum, die über die stärkste Schwerkraft verfügen. Dass gerade sie für Abstoßung sorgen sollen, ist also nicht eben naheliegend.

Das Argument der Forschenden liegt in einer sonderbaren Koinzidenz. In einer weiteren, kürzlich von Farrah und seinem Team Im Journal "The Astrophysical Journal" publizierten Arbeit stellte man fest, dass supermassive Schwarze Löcher in alten, fernen Galaxien, deren Licht durch die Expansion des Raums in Richtung roter Wellenlängen verschoben ist, unerwartet massereich sind. Sie scheinen weitergewachsen zu sein, obwohl nur noch wenig Masse vorhanden war, die sie hätten verschlingen können. Die Abweichung beträgt das Sechs- bis 20-Fache des erwarteten Werts. Um Fehler auszuschließen, betrachtete das Team nur besonders einfache elliptische Galaxien, die sich in den letzten Milliarden Jahren nur wenig verändert haben.

Hier bringen die Forschenden bestimmte Modelle Schwarzer Löcher ins Spiel. Schwarze Löcher haben, laut allgemeiner Relativitätstheorie, in ihrem Inneren eine sogenannte Singularität. Es ist ein Punkt, an dem die Gesetze von Raum und Zeit ihre Bedeutung verlieren. Einige Modelle Schwarzer Löcher versuchen, diesen Punkt zu vermeiden. Ein Nebeneffekt des Ansatzes ist, dass Schwarze Löcher mit der durch die Dunkle Energie vorangetriebenen kosmischen Expansion mitwachsen könnten. Farrahs Team sah sich an, ob das von den Modellen ohne Singularität vorhergesagte Wachstum mit dem gemessenen Übermaß an Masse kompatibel ist, und sah eine verblüffende Übereinstimmung.

Erste Verbindung zu Beobachtungsdaten

Die Idee, dass sich Dunkle Energie in Schwarzen Löchern verbergen könnte, ist nicht völlig neu. Doch das Forschungsteam betont, dass diese Theorie hier zum ersten Mal mit Beobachtungsdaten verknüpft wurde. Das ist insofern etwas Besonderes, als das Innere von Schwarzen Löchern zu jenen Bereichen der Welt gehört, die der Forschung schon aus Prinzip nicht zugänglich sind. Am Ereignishorizont ist die Raumzeit so sehr gekrümmt, dass keine Information aus dem Inneren entweichen kann. Unser Unwissen darüber ist also nicht mangelhaften wissenschaftlichen Methoden geschuldet, es ist Teil der Theorie. Einzige Informationsquelle über Schwarze Löcher ist der Ereignishorizont selbst und das, was außerhalb davon passiert. Das Wachstum Schwarzer Löcher ist so eine von außen messbare Eigenschaft.

Das erste Bild des supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Laut der nun veröffentlichten Theorie könnte sich hinter dem dunklen Ereignishorizont in der Mitte Dunkle Energie verbergen.
Foto: EHT Collaboration/National Science Foundation/Handout via REUTERS

Andere Fachleute wollen die neue Idee nicht überbewerten. "Die in dieser Arbeit untersuchte Beziehung zwischen der Masse Schwarzer Löcher und der Expansionsrate des Universums ist etwas naiv und wird von fundamentalen Prinzipien nicht gestützt", sagt etwa der Physiker Vitor Cardoso, der am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen forscht, gegenüber dem britischen "Guardian". Es gebe noch eine Reihe von Gegenargumenten zu behandeln, bis die Idee überzeugend genug sei, um mehr als einige Monate zu überleben.

Als Durchbruch wird der neue Ansatz also eher nicht gewertet. Immerhin betonen auch die Forschenden um Farrah, dass ein neuer physikalischer Mechanismus nur eine mögliche Erklärung der Beobachtung zu schnell wachsender Schwarzer Löcher ist und auch Fehler "in der Auswahl und in der Messung" für das beobachtete Übermaß an Masse in den Schwarzen Löchern verantwortlich sein könnten, wie es in der Publikation heißt.

Noch ist die Idee also umstritten. Doch in der Kosmologie ist vieles in Bewegung. Es handelt sich um eines jener faszinierenden Wissenschaftsgebiete, die nach wie vor reichlich Raum für Spekulationen bietet. (Reinhard Kleindl, 19.2.2023)