Toller Sibelius: Marie Jacquot und die Wiener Symphoniker.

Kmetitsch

Eigentlich hätte Marie Jacquot Tennisprofi werden sollen. Doch dann hatte die gebürtige Pariserin keine Lust mehr, sich dem ständigen Wettbewerbsdruck zu unterwerfen. Sie studierte Posaune in Paris und ging anschließend nach Wien und Weimar, um sich zur Dirigentin ausbilden zu lassen.

Heute zählt Jacquot, die u. a. Kirill Petrenko in München assistierte, zum handverlesenen Kreis erfolgreicher Dirigentinnen. 2024 übernimmt sie den Chefposten an der Königlichen Oper in Kopenhagen. Ihr Debüt mit den Wiener Symphonikern gab die 32-Jährige 2020 im Rahmen der sogenannten Wohnzimmerkonzerte, die das Orchester während des Lockdowns veranstaltete. Nach einem sommerlichen Gastspiel in Bregenz waren Jacquot und die Symphoniker nun im Musikverein zu erleben.

Ohne Pathos

Zum Auftakt gab es Alexander Borodins Ouvertüre zu Fürst Igor. Das zehnminütige Stück hat so seine Tücken, und man tut gut daran, nicht dem vermeintlichen Pathos zu erliegen. Jacquot und das Orchester fanden die ideale Balance zwischen Borodins geballter Tuttikraft und den lyrischen Momenten der Partitur. Dazu die ansteckende Spielfreude der Musikerinnen und Musiker – ein Fest.

Das darauffolgende Klavierkonzert von Edvard Grieg hat Solist Rudolf Buchbinder einer emotionalen Entschlackungskur unterzogen. Leider bleibt dabei auch die Essenz des Werkes, das Magische, Drängende und das Zart-Versponnene, auf der Strecke. Dass die Kaskaden im ersten Satz unsauber gerieten – geschenkt. Vielmehr ließ Buchbinder Spielwitz und Poesie vermissen. Vielleicht bringt es Unglück, die norwegischen Trolle von der Bühne zu verbannen.

Nach der Pause waren einige Zuhörer nach Hause gegangen und verpassten so mit Sibelius’ erster Symphonie einen Höhepunkt symphonischen Musizierens, vom singenden Holz und brillanten Blech bis zum satten Streicherklang, die Jacquot dem Orchester entlockte. (Miriam Damev,17.2.2023)