Lohnsteigerungen und Unternehmensgewinne treiben die Inflation, sagt EZB-Direktorin Isabel Schnabel.

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Wien/Frankfurt – Die Märkte unterschätzen nach Ansicht von EZB-Direktorin Isabel Schnabel möglicherweise die Hartnäckigkeit der Inflation im Euroraum. Die Märkte gingen davon aus, dass die Teuerung sehr schnell in Richtung zwei Prozent sinken und dort dann bleiben werde, während sich auch die Wirtschaft gut schlage, sagte Schnabel der Finanzagentur Bloomberg. "Das wäre ein sehr gutes Ergebnis, aber es besteht das Risiko, dass sich die Inflation als hartnäckiger erweist als gegenwärtig eingepreist ist an den Finanzmärkten", sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Europäischen Zentralbank (EZB).

Zwei Prozent

Die EZB strebt zwei Prozent Teuerung als Optimalwert für die Wirtschaft in der Eurozone an. Davon ist sie aber noch weit entfernt. Im Jänner lag die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft bei 8,5 Prozent. Sie ist zwar den dritten Monat in Folge gesunken. Doch die Kerninflation, aus der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, verharrte im Jänner bei 5,2 Prozent. "Wir sind immer noch weit davon entfernt, den Sieg zu erringen", sagte Schnabel und verwies auf die Stärke des zugrunde liegenden Preisdrucks, rascher Lohnsteigerungen und Unternehmensgewinnen.

Wohl hätten Unternehmen ihre höheren Kosten nicht voll weitergeben können. Die Gewinnmargen stiegen trotzdem, die Profite wurden also unterschätzt. Auch diese Entwicklung müsse man künftig im Blick haben. Beide, Preis- und Lohnentwicklung, hingen an der Inflationserwartung.

Energischer vorgehen?

"Möglicherweise muss die EZB energischer handeln", sagte die zu den Falken zählende deutsche Volkswirtin. Dies dann, wenn die Reaktion der Wirtschaft auf die Straffungsschritte der Notenbank schwächer ausfallen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Investoren am Geldmarkt gehen davon aus, dass die EZB den Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten und der aktuell der richtungsweisende Zinssatz ist, bis Ende des Sommers auf rund 3,85 Prozent anheben wird. Aktuell liegt der Satz nach fünf Zinserhöhungen der EZB bei 2,50 Prozent.

Am 16. März geht's weiter

Eine Zinsanhebung um einen halben Prozentpunkt in der nächsten geldpolitischen Sitzung der EZB am 16. März ist laut Schnabel "notwendig unter praktisch allen plausiblen Szenarien". Das erwarten auch die Finanzmärkte. Wie es danach weitergehen werde, sei offen, sagt die EZB-Direktorin. Im Gleichschritt mit den Energiekosten und damit schneller als erwartet ist zuletzt die Gesamtinflation in der Eurozone zurückgegangen.

Die Kerninflation, also die Teuerung ohne Energie- und Lebensmittelpreise, steht allerdings unverändert auf Rekordhöhe. Daran sehe man, dass die Disinflation, also eine spürbare Verringerung des Inflationstempos, noch nicht einmal begonnen habe, warnt EZB-Direktorin Schnabel vor kommenden Lohnzuwächsen, die in jüngsten Prognosen auf fünf Prozent taxiert werden. Das sei gemessen am Inflationsziel der EZB von zwei Prozent zu hoch.

Mittelfristig wird die Inflation von Löhnen und Gewinnentwicklung getrieben.

Inflationsdruck bleibt

Von allein verschwinden werde der Inflationsdruck nicht, sagt Schnabel. Ob die Geldpolitik der EZB bereits zu restriktiv ist und das Niveau der Zinsen das Wachstum bereits bremst? Da sei sie sich nicht so sicher. Eher könnte die Risikoaversion angesichts der nachlassenden konjunkturellen Dynamik die Gesamtnachfrage geschwächt haben. Der Wechsel hin zu festverzinslichen Hypotheken, kürzeren Anleihelaufzeiten, der starke Arbeitsmarkt und grüne Investitionen könnten dazu führen, dass die Wirtschaft weniger stark auf die EZB-Politik reagiere. (ung, Bloomberg) (18.2.2023)