Ewig schad’ um unser kuschliges Verhältnis zu Wladimir Putin, mag sich mancher Österreicher denken. Aber wie Außenminister Alexander Schallenberg kürzlich gesagt hat: Der status quo ante ist nicht mehr wiederherstellbar.

Ein peinlicher Auftritt: Putin bei der Hochzeit einer österreichischen Ministerin.
Foto: Plankenauer

Putin hat sich demaskiert. Er führt, in den Worten des Russland-Kenners Michael Thumann von der Zeit, einen Krieg "für die Wiederherstellung russischer Kontrolle in Europa wie bis 1991. Wer sich russische Politiker und Talkshows im Original anschaut, kann sich täglich überzeugen, dass es um uns alle Europäer geht, nicht allein um die Ukraine."

Daran schließt sich logisch die Frage, wie die künftige österreichische Politik gegenüber Russland aussehen soll.

Grundsätzlich steht eines fest: Putin darf nicht gewinnen. Am Ende muss die Erkenntnis von Putin (oder jemand anderem) stehen, dass russisch-imperialistische Ziele, weder in der Ukraine noch in Europa, durchsetzbar sind. Auf der anderen Seite ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Ukraine ihre Maximalziele – vollständige Rückgewinnung der Ostukraine und der Krim – nach Ansicht westlicher Politiker und Militärs nicht erreichen kann.

Es ist nicht anzunehmen, dass demokratische und liberale Kräfte in Russland plötzlich die Oberhand bekommen. Der eminente britische Russland-Historiker Orlando Figes weist in seinem neuen Buch Eine Geschichte Russlands nach, dass die jahrhundertealte Vorstellung von einem "guten Zaren", einem "Zar-Batjuschka" (Väterchen Zar), im Volk noch stark ist. Autoritäre Herrscher sind keineswegs negativ besetzt. Das heißt aber für Österreich nicht, in die alte Russland-Kriecherei zurückzufallen. Wir haben schwere Fehler gemacht, vor allem, indem wir uns in bewusste Abhängigkeit von russischem Gas begaben. Wir haben peinliche Auftritte mit Putin geliefert, und wir sind immer noch recht zögerlich beim Mittragen mancher Maßnahmen gegen Russland und für die Ukraine.

Neutralität behalten

Das darf nie wieder passieren. Der österreichische Glaube von einer Sonderrolle gegenüber Russland ist historisch bedingt auch erklärbar, aber wir haben es zuletzt schandbar übertrieben. Österreich war eher atmosphärisch als realpolitisch, aber immerhin doch ein Instrument Putins bei seinem Versuch, die EU zu untergraben. Darüber haben sich manche Illusionen gemacht, und manche, die FPÖ zum Beispiel, fänden es ja wünschenswert, die demokratische EU gegen eine Rolle als autoritäres Protektorat von Russland einzutauschen.

Österreich muss gegenüber einem künftigen Russland eine selbstständigere, illusionslose Rolle einnehmen – ohne seine bisherigen guten Beziehungen zu Russland völlig über Bord zu werfen. Eine fundamentale Frage ist wohl, ob Österreich den Schritt in das westliche Verteidigungsbündnis Nato machen soll.

Der europäische Denker und frühere tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg sagt dazu im Gespräch: "Ich glaube, man sollte die Neutralität behalten, aber wie der Kanzler gesagt hat, sie ist rein militärisch. Sie kann nicht gesinnungsmäßig sein." Und: "Wir sollen anerkennen, dass Russland nun einmal eine Großmacht ist und dass wir uns demgemäß auch verhalten sollen. Äußerst korrektes Verhalten, klar sein in Fragen der Menschenrechte, aber sonst äußerst korrekte Beziehungen haben."

Schwarzenberg meint übrigens, dass Österreich historisch kein "westliches Land" sei (im Sinne von "westeuropäisch"), sondern eben ein mitteleuropäisches. Diese Nuancen spielen wohl eine Rolle. Ein Stück Verständnis für russische Mentalität und russische Befindlichkeiten ist uns wahrscheinlich gegeben und auch durchaus angebracht – allerdings im vollen Bewusstsein, dass der russische Imperialismus eine Realität und im Übrigen auch eine historische Konstante ist. "Das Russland, das aus dem Krieg hervorgeht, wird ärmer, unberechenbarer und in der Welt stärker isoliert sein", schreibt Orlando Figes.

Aber es wird nach wie vor da sein. Österreich muss den alten Selbstbetrug ablegen, dass wir uns auch mit einem aggressiven Russland schon irgendwie arrangieren können; schon gar nicht dürfen wir uns in den russischen Einfluss begeben. Aber es muss ein Rest der alten Beziehungen bleiben. (Hans Rauscher, 19.2.2023)