Der jahrelange Bürgerkrieg in Syrien erschwert die humanitäre Hilfe nach der Katastrophe.

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Gaziantep/Idlib – In Syrien sind nach Angaben der Vereinten Nationen 8,8 Millionen Menschen von den Folgen der Erdbebenkatastrophe betroffen. "Die Mehrheit von ihnen benötigt voraussichtlich irgendeine Form von humanitärer Unterstützung", schrieb die stellvertretende Uno-Syrienbeauftragte Najat Rochdi am Sonntag bei Twitter. Aktivisten und Helfer in den Rebellengebieten im Nordwesten Syriens hatten in den Tagen nach den Beben vom 6. Februar mangelnde Hilfe der Uno beklagt.

Die Zahl der Menschen, die in der Türkei durch das Erdbeben getötet worden sind, ist auf 41.020 gestiegen. Das teilte die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad am Sonntagabend laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit. In Syrien sind bisher rund 5.900 tote Menschen in Zusammenhang mit den verheerenden Beben gezählt worden.

Die Vereinten Nationen (UN) seien voll der Aufgabe verpflichtet, mehr zur Hilfe aller Syrer zu unternehmen, betonte Rochdi. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hatte während eines Besuchs in der Region dann Versäumnisse bei der Hilfe für die Opfer im Nordwesten eingeräumt. Einen Tag nach der Kritik des UN-Welternährungsprogramms WFP an verhinderten Hilfen für Erdbeben-Opfer in syrischen Rebellengebieten ist ein Konvoi der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in die Region aufgebrochen. Die Machthaber in der Region ließen keine Hilfen zu, hatte WFP-Direktor David Beasley am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt.

Knapp zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben sind die Rettungseinsätze in nahezu allen betroffenen Provinzen der Türkei eingestellt worden. Lediglich in insgesamt rund 40 Gebäuden in den Provinzen Kahramanmaras und Hatay laufe die Suche nach möglichen Überlebenden weiter, sagte der Chef des türkischen Katastrophenschutzes, Yunus Sezer, am Sonntag. Tausende Menschen werden noch vermisst. Ihre Überlebenschancen sind angesichts niedriger Temperaturen und der fortschreitenden Zeit verschwindend gering.

Mindestens 11.000 ohne Zuhause

Im von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens wurden mehr als 9.000 Gebäude komplett oder teilweise zerstört, wodurch mindestens 11.000 Menschen ihr Zuhause verloren. Bisher seien laut UN etwa 60.000 Menschen mit Wasser und rund 13.000 Erdbebenopfer mit Zelten versorgt worden. Nach UN-Angaben sind aber rund 40.000 Haushalte ohne Obdach.

Sollte die nötige Finanzierung, die die UN allein für Syrien mit 400 Millionen Dollar (376,5 Millionen Euro) veranschlagt, nicht zustandekommen, könne auch künftig nicht allen geholfen werden, warnt Hadi. Die Vereinigten Staaten werden zusätzlich weitere 100 Millionen Dollar (rund 93 Millionen Euro) für die Erdbebenhilfe in der Türkei und Syrien bereitstellen, teilte das US-Außenministerium am Sonntag mit.

Schulen zerstört

Die Uno fürchtet zudem Gewalt gegen Frauen und Kinder, die derzeit im Freien schlafen oder in Notunterkünften keinen sicheren Zugang zu Toiletten haben. Welche Folgen sich außerdem für Schüler und den Unterricht ergeben werden, ist kaum absehbar.

600 Schulen seien allein in Syrien zerstört worden, sagte Yasmine Sherif, Direktorin des UN-Fonds Education Cannot Wait (ECW), dem TV-Sender Al-Dschasira. Im betroffenen Gebiet der Türkei sind nach Regierungsangaben mehr als 600 Kinder noch immer ohne Begleitung. Von 247 Kindern fehlen demnach weiterhin Informationen über deren Identitäten.

US-Außenminister Antony Blinken wollte am Sonntag die schwer getroffene türkische Provinz Hatay besuchen und sich mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu ein Bild der Lage machen. Die türkische Regierung hat unterdessen Immobilien-Besitzer zur Bereitstellung von Wohnraum für die Erdbebenopfer aufgerufen. Zudem gibt es nach dem Erdbeben in der Türkei weitere Zeichen der Annäherung mit dem Nachbarstaat Griechenland inmitten vieler Konflikte zwischen den beiden Ländern. (APA, red, 19.2.2023)