Wolodymyr Selenskyj und Sean Penn waren sich wohl beide schon zu Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 klar, dass es darum geht, starke Bilder zu schaffen.

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Krieg war bis dato meistens Männersache. Heute ist das zwar nicht mehr ganz so eindeutig. Wenn man aber die aktuelle Ukraine-Dokumentaion Superpower von Sean Penn sieht, dann wird man auch in jene Zeiten zurückversetzt, in denen starke Staatsmänner und martialische Feldherren sich von kettenrauchenden Reportern beobachten ließen, die danach in einer ruhigen Ecke des Schützengrabens ihre atemlosen Berichte in die Reiseschreibmaschine hämmerten.

Der amerikanische Schauspieler Sean Penn ist zwar im strengen Sinn kein Reporter, dafür aber macht er mit einem Mixgetränk, das eher kein Smoothie ist, immer wieder seine Stimme so rau, dass man sie fast für eine Waffengattung halten könnte. Am Wochenende wurde Superpower bei der Berlinale präsentiert.

Es handelt sich um einen der am meisten erwarteten Filme des Festivals. Schon seit Monaten gingen die Meldungen herum, dass Sean Penn in der Ukraine war, dass er mit Präsident Wolodymyr Selenskyj drehte, dass er vielleicht so nah dran war an diesem Krieg wie nicht viele andere. Der Schauspieler, Star in US-amerikanischen Filmen von Brian De Palma bis Paul Thomas Anderson, fungiert hier selbst als Regisseur, gemeinsam mit Aaron Kaufman. Das als cool geltende Medienimperium Vice ist auf der Produktionsseite maßgeblich involviert.

Macht der Bilder

Ursprünglich war Superpower nicht als Kriegsfilm gedacht, und fand auch diesen Titel erst durch die Umstände. Geplant war 2021 ein Stück Gonzo-Journalismus über die Ukraine, über ein Land, das Sean Penn damals gerade erst für sich zu entdecken begann: die Ukraine als ein bisher weitgehend unbekannter Staat im europäischen Osten, der einen Komiker zum Präsidenten hatte, und der im ersten Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump auftauchte. Sean Penn sollte das Gonzo-Element einbringen: ein Sympathieträger, der an die Front geht, wobei damals noch nicht absehbar war, um welchen Krieg es gehen würde.

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Schon 2021 war Penn mit seinem Team in Mariupol, ein Besuch, der in dem nunmehrigen Film leider nur eine sehr geringe Rolle spielt.Im Februar 2022 war Penn dann gerade in Kiew, als Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine begann. Die Geschehnisse des 24. Februars bilden nun das Herzstück von Superpower, denn es kam zu einer historischen Begegnung: Präsident Selenskyj, der sicherlich einen eher hektischen Tag hatte, nahm sich Zeit, um Sean Penn zu treffen, schon damals übrigens in dem tarnfarbenen Leiberl, das seinen trainierten Oberkörper so betont, und das inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden ist.

Der Sinn dieses Meetings macht den eigentlichen Punkt des Films Superpower aus: Es ging schon in den ersten Stunden des Krieges auch um einen Krieg der Bilder. Und Selenskyi wusste zwar, dass er es nicht mit einem Fernsehreporter zu tun hatte, die Bilder von der Begegnung also erst nach Wochen oder Monaten oder nun de facto erst ein ganzes Jahr später die Öffentlichkeit erreichen würden. Er wusste aber auch, dass mit dem Starpotential von Sean Penn schon bis dahin viel zu erreichen war.

Prominenz schadet nicht

Und so kam es dann ja auch. Sean Penn verließ Kiew am zweiten Tag des Krieges, machte sich dann aber in Amerika zu einem der ersten Botschafter der Ukraine, inklusive Anrufen in Joe Bidens Büro, damit dort Andrij Yermak, der wichtigste Mitarbeiter Selenskyis, gehört wurde. Das wäre zwar vermutlich auch ohne Penns Vermittlung der Fall gewesen, ein bisschen Prominenz als Gleitmittel schadet in der Politik aber selten.Leider ist Sean Penn als Gewährsmann für die gute Sache zwar hoch engagiert. Viel mehr als eine leidenschaftliche und rhetorisch bald auch ein wenig anstrengende Parteinahme für die Ukraine als einem Hort der Freiheit kommt aber mit Superpower nicht heraus.

Es tauchen zwar eine Reihe von interessanten Protagonisten und Protagonistinnen auf, zum Beispiel Yulia Marushevska, die einmal die notorisch korrupte Hafenbehörde von Odessa reformieren sollte. Der hektische Duktus von Superpower aber lässt niemals nur in Ansätzen zu, dass ein Thema so weit vertieft werden würde, dass man auch wirklich verstehen könnte, worum in der Ukraine tatsächlich gerade gekämpft wird. Es geht ja um mehr als nur um territoriale Integrität.

Das muss aber zurückstehen, denn zuerst muss ein Krieg gewonnen werden – und dafür braucht es nach dem Verständnis von Sean Penn vor allem Buddy-Muster: Männer, richtige Männer, mit starken Schultern, auf die sie sich gegenseitig klopfen können. (Bert Rebhandl aus Berlin, 19.2.2023)