Fulminant zwischen Andre und Bruckner: Markus Poschner.

Foto: Weihbold

Wäre es am Samstag nicht ein extrem intensiver Abend geworden, der Applaus im Musikverein hätte wohl dennoch epische Ausmaße angenommen. Es schwang in der Euphorie über eine exzellente 5. Symphonie von Anton Bruckner jedenfalls auch etwas demonstrativ Aufmunterndes mit. Es hat sich offensichtlich herumgesprochen, dass das ORF-Radio-Symphonieorchester Wien wieder einmal für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk statt eines erheblichen ideellen Wertes nur noch einen Preis hat. Das Orchester soll im Zuge eines Sparkonzepts nun endgültig verschwinden (oder zumindest aus dem ORF-Budget).

Cerha-Würdigung

Komponist Friedrich Cerha, der am Dienstag verstarb, hätte gegen diesen Sparakt sicher seine Stimme erhoben. Ihm widmete das RSO Verstörte Meditation, einen Ausschnitt aus 3 Situationen, bei dem sich aus der Faststille heraus Akkordflächen entfalten, die durch harte Interventionen irritiert werden. Ein wuchtiges Stop-and-go-Spiel. Ein noch innigeres Naheverhältnis zum fast Unhörbaren pflegt Mark Andre.

Dessen Komposition an für Violine und Orchester animiert nicht nur Geiger Ilya Gringolts zum Extremspiel zwischen zierlichen Hochtonexkursen und herb-perkussiver Spielweise. Auch das RSO wird angehalten, Höhepunkte raffinierter Klangmischungen mit sehr diskreten Statements abzugleichen.

Robuste Struktur

Hier zeigte sich die Flexibilität des RSO: Von sehr speziellen Spielweisen der Avantgarde dermaßen gekonnt zurück zu zentralen symphonischen Positionen des 19. Jahrhunderts zu gleiten war schon eine Besonderheit.

Dirigent Markus Poschner animiert bei Bruckner – vom bewusst vibratolos klaren Beginn bis zum prunkvoll-kontrapunktischen Finale – zur impulsiven und dabei klanglich doch ausgewogenen Lesart. Das war kein verzärtelter Bruckner, vielmehr robust dargestellte Struktur. Auch war das alles kein Requiem für sich selbst, das man dem RSO – ob der spartrüben Zukunftsaussichten – nicht verdenken würde. Langanhaltender Applaus.
(Ljubiša Tošic, 20.2.2023)