Verteidigungsministerin Tanner (ÖVP) bedankte sich am Montag bei einem feierlichen Empfang in Korneuburg bei den Katastrophenhelfern.

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Der Wettergott hat es gut gemeint mit den Rückkehrern. Die Besucher in Korneuburg auch. Zwölf Grad und ein paar durchschimmernde Sonnenstrahlen. Und rund 200 Menschen am Hauptplatz, die den Helferinnen und Helfern Tribut zollen. Manche haben Rosen und türkische Flaggen mitgebracht. Auf einem mit Herzen verzierten Transparent steht "Danke für alles". Die Militärmusik spielt "Oh, du mein Österreich". Daneben stehen ein paar Dutzend Soldatinnen und Soldaten in Uniform, die meisten mit hellblauem Barett, einer hält ein Banner in der Hand. "AFDRU" steht darauf, kurz für "Austrian Forces Disaster Relief Unit".

Die Einheit mit Hauptsitz in der Dabsch-Kaserne in Korneuburg ist zuständig für "Urban Search and Rescue", wie es in Fachsprache heißt. Also für das Suchen und Bergen von Verschütteten nach Umwelt- und Naturkatastrophen. Ausrückende Teams werden stets konkret für den Einsatzfall formiert. 70 Männer und Frauen der Einheit waren am 7. Februar Richtung Türkei aufgebrochen, um die dortigen Helfer nach dem schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien im Katastropheneinsatz zu unterstützen. Auch zwölf zivile Helferinnen und Helfer, darunter Mitglieder der Bergrettung, waren ins Erdebengebiet in der Provinz Hatay im Südosten der Türkei geschickt worden. Vor dem Korneuburger Rathaus wurden sie am Montag feierlich empfangen.

Ein bisschen Schlaf nachholen

Einer der schlimmsten Momente sei die Ankunft vor Ort gewesen, erzählt einer der am Donnerstag zurückgekehrten Helfer vor der kleinen Bühne, die man neben dem Rathaus aufgebaut hat. Denn da habe man erstmals mit eigenen Augen gesehen, was das Leid der Menschen vor Ort bedeute. Der schönste Moment des knapp zehntägigen Einsatzes sei nur wenige Tage später gefolgt. "Da konnten wir eine fünfköpfige Familie aus den Trümmern retten."

Im Anschluss gab es Dankesworte von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und vom türkischen Botschafter Ozan Ceyhun – wie schon am Donnerstag am Flughafen Schwechat, wo neben den offiziellen Vertretern Österreichs und der Türkei auch rund 200 Personen, viele davon aus der türkischen und syrischen Community, die Rückkehrer direkt am Rollfeld willkommen geheißen hatten.

Die Helferinnen und Helfer konnten seit ihrer Rückkehr zumindest ein wenig Schlaf nachholen. Während des Einsatzes in der Türkei fiel der wenig überraschend recht kurz aus. Rund 16 Stunden pro Tag habe man vor Ort nach Verschütteten gesucht, erzählt Wachtmeister Daniel Degenhart – ein körperlich wie psychisch sehr fordernder Einsatz. "Es dauert sicher noch ein bisschen, bis man das alles verarbeitet hat", sagt er. "Aber es war wichtig, einmal ein paar Tage zu Hause bei der Familie zu sein."

Nächte in Zelten

Geschlafen wurde in Zelten auf Feldbetten – in einer Art Camp, in dem Helfende mehrerer Nationen ihr Lager aufschlugen. Dort schliefen auch die zwölf zivilen Helferinnen und Helfer aus Österreich. Lukas Turk, Landesgeschäftsführer der österreichischen Bergrettung für Niederösterreich und Wien, war einer von ihnen. Das Lager wurde bewusst etwas außerhalb am Stadtrand aufgeschlagen, berichtet er dem STANDARD. Weil jederzeit mit Nachbeben gerechnet werden musste, war es entscheidend, die Zelte dort aufzustellen, wo keine Gebäude standen – und einstürzen konnten.

Ein Zelt sei bei einem weiteren Beben relativ sicher. Seit dem ersten Erdstoß vor rund zwei Wochen gab es rund 6.100 Nachbeben. "Und die spürst du vor Ort die ganze Zeit", berichtet Turk, "manchmal leichter, manchmal aber auch stärker." Ein mehr als mulmiges Gefühl, "vor allem, wen man gerade in einem zerstörten Gebäude ist, in das man zuvor hineinklettern musste. "Da schaut man dann einfach, dass man so schnell wie möglich rauskommt", sagt der Bergretter.

Seit der Rückkehr setze sich das Erlebte langsam, erzählt er. "Man hat auch viel zu berichten, weil einen jeder fragt." Man sei aber sowohl im Einsatz selbst als auch seit der Rückkehr in enge Betreuung eingebettet. Wen Erlebnisse aus dem Einsatz belasten, der kann sich jederzeit an einen der Psychologinnen oder Psychologen wenden. Ein Militärpsychologe war auch im Camp in der Türkei mit dabei. Jeden Tag vor und nach dem Einsatz gab es eine Vor- beziehungsweise Nachbesprechung mit ihm, vor dem Heimflug dann noch eine größere.

"Auf ein Wunder hoffen"

Am belastendsten sei mitunter gewesen, zu sehen, wie Angehörige von Verschütteten auf positive Nachrichten warteten – und mit zunehmender Dauer "nur mehr auf ein Wunder hoffen konnten". Die Dankbarkeit der Menschen, deren Angehörige lebend geborgen werden konnten, sei dafür im positiven Sinne umso eindringlicher gewesen. "Das geht einem wirklich nahe", sagt Turk.

Alle zivilen Bergretterinnen und Bergretter sind übrigens ehrenamtlich tätig – und haben sich für den Einsatz freiwillig gemeldet. "Die haben vom Autoverkäufer bis zum Wirtschaftskammer-Funktionär alle möglichen Berufe", sagt Turk, "und müssen oft den Arbeitgeber fragen, ob sie freikriegen."

Für Oberstleutnant Markus Bock war es nicht die erste Mission dieser Art – sondern bereits der vierte Einsatz nach einem Erdbeben, der dritte in der Türkei. "Natürlich ändert sich mit jedem Einsatz ein bisschen etwas", sagt er. Mit mehr Erfahrung könne man auch besser mit den Erlebnissen umgehen. "Und wenn man zurück ist, ist man sofort wieder im Alltag des Jobs und mit der Familie." Was diesmal aber definitiv anders sei, sei die Aufmerksamkeit für die Rückkehrer. Ein mediales Echo wie diesmal habe es bisher noch nie gegeben. Auch der Empfang am Flughafen sei überwältigend gewesen. "Das letzte Mal, dass Soldaten in Österreich so begeistert empfangen wurden", sagt Bock, "war nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Amerikaner ankamen."

Tanner will weiter investieren

Beim feierlichen Empfang am Hauptplatz von Korneuburg lobte der türkische Botschafter am Montag die "Helden von Hatay", wie er sagte. Es sei entscheidend gewesen, dass Österreich schnell geholfen habe und "Menschen, die in diesem Bereich schon viel Erfahrung haben", Richtung Türkei entsandt hatte. "Sie sind ab jetzt unsere Freunde", sagte Ceyhun, "so nahe wie Nachbarn, wie Verwandte." Auch mehrere Vertreterinnen und Vertreter türkischsprachiger Community-Medien in Österreich verfolgten die Reden.

Ministerin Tanner betonte den schwierigen Einsatz der Bundesheer-Angehörigen "in der Kälte, unter schwierigen Bedingungen". Man könne sicher sein, dass die Helfenden "immer wieder ihre Grenzen überschreiten mussten". Ihre schnelle Reaktion und unermüdliche Arbeit habe dazu beigetragen, neun Leben zu retten, 52 Verletzte medizinisch zu versorgen und den Angehörigen zu helfen.

Als Ministerin sehe sie ihre Aufgabe darin, weiter ins Bundesheer zu investieren – auch in die Kaserne in Korneuburg, die laut Plänen des Ressorts wie andere Stützpunkte autark, also in der Eigenversorgung unabhängig, werden soll. Rückenwind für Investitionen ins Heer spüre man im Ressort schon, "seit Soldatinnen und Soldaten Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie geleistet haben", sagt Tanner danach im Gespräch mit dem STANDARD. Russlands Überfall auf die Ukraine vor einem Jahr habe diesbezüglich weiter viel verändert, es gebe Zusammenhalt "über alle Parteigrenzen hinweg" für neue Beschaffungen für die Armee. Der Einsatz in der Türkei sei vor allem ein "Zeichen, das man im Rahmen der internationalen Solidarität" habe setzen können. Er habe auch gezeigt, wie schnell das Bundesheer im Bedarfsfall einsatzbereit sei. (Martin Tschiderer, 20.2.2023)